Sophia vom Grüth († 3. März 1579), Tochter des Zürcher Ratschreibers und Gegner Zwinglis Joachim (am Grüt, von Greuth, † 1527) und der Veronika Schwarzmurer aus Zug, war Klosterfrau in Magdenau und wurde von den katholischen Orten 1548 als Schaffnerin zur Wiederherstellung des Klosters nach Tänikon berufen. 1550 wurde sie durch die Tagsatzung bestätigt und zur Äbtissin erhoben. Ihr Bruder, der Abt von Muri Joachim Christoph vom Grüth (1549–1564), hatte zuerst auf sie hingewiesen. Ihren Ernennungsbrief unterzeichneten Ratsherr Aufdermauer zu Schwyz, Pannerherr Wolfgang Kolin und Hans Letter, beide des Rats in Zug, und Hans Huber von Rapperswil. Bei ihrer Ernennung legte Sophia vom Grüth einen Bürgschein über 1000 Gulden vor, der vom thurgauischen Landschreiber Hans Locher, der ebenfalls eine Scheibe in den Kreuzgang von Tänikon stiften sollte (TG_27), entgegengenommen wurde. Unter ihrer Regentschaft wurden der Konvent erneuert und die Klosterbauten wiederhergestellt (Meyer-Marthaler, 1982, 944). Sophia besass vier Geschwister: die Brüder Theophil und der genannte Joachim Christoph sowie die Schwestern Meliora und Beatrix. Von diesen war die Erstere von 1553 bis 1599 Meisterin im Kloster Hermetschwil. Letztere lebte ebenfalls in Tänikon.
Sophia vom Grüth betätigte sich häufig als Scheibenstifterin. Ihre früheste bekannte Wappengabe ist diejenige in der Kirche Tänikon, die sie 1549 als Verwalterin des dortigen Klosters für einen unbekannten Ort ausführen liess (TG_303). Um die gleiche Zeit entstand ihre noch zur Hälfte erhaltene Rundscheibe, die als Flickstück in ihre 1558 in den Kreuzgang von Tänikon gelangte Scheibe eingefügt ist (TG_29). 1563 schenkte Sophia ein Scheibe in den Kreuzgang von Wettingen (Boesch 1943, S. 30; Hoegger 2002, S. 333_335, Abb. S. 140). Aus dem Kloster Magdenau stammt vermutlich ihr Glasgemälde von 1567 im Museum Heylshof in Worms (Boesch, 1943, 30). Wie aus den Klosterrechnungen Tänikons hervorgeht, gab sie während ihrer dortigen Zeit als Äbtissin weitere Fensterschenkungen in Auftrag, so 1552 für die Klosterkirche in Ittingen und Beat Quirinus in Zug, 1553 für ihren Bruder Theophil in Kreuzlingen, 1555 für den vermutlich oben erwähnten Hans Huber in Rapperswil und 1557 für den Zuger Landvogt Jakob Schicker (Boesch, 1943, 30f.).
Die vorliegende Scheibe war für den Kreuzgang ihres Klosters bestimmt. Der 1508 errichtete Kreuzgang von Tänikon mit seinen 22 Rundbogenfenster wurde in mehreren Etappen mit zahlreichen Glasgemälden ausgestattet. Eine erste Serie datiert in die Jahre 1558/1559. Die meisten dieser rund 20 Scheiben sind vom Zürcher Glasmaler Niklaus Bluntschli signiert. Eine einzelne Scheibe trägt das Monogramm Jos Murers.
Die zweite Serie stammt aus den Jahren 1563–1565 und umfasst mindestens 5 Scheiben. Eine davon trägt das Monogramm des Glasmalers Hans Füchslin. In den Jahren von 1585–1610 wurden weitere 11 Scheiben gestiftet. Nach 1610 gelangten weitere Glasgemälde nach Tänikon, die dort allerdings nicht mehr im Kreuzgang, sondern andernorts zur Aufstellung kamen (u.a. im Refektorium) (Rahn/Nater 1906, S. 17f., 426–439; Boesch, 1943).
Insgesamt 37 Scheiben aus dem Kreuzgang von Tänikon kaufte 1832 Johann Nikolaus Vincent aus Konstanz, in dessen Sammlung sie bis 1891 verblieben. In diesem Jahr verkauften Vincents Erben die Sammlung, und heute sind die noch auffindbaren Tänikoner Scheiben auf mehrere Institutionen verteilt (Schweizerisches Nationalmuseum, Historisches Museum Thurgau, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Musée Ariana Genf, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Museum Heylshof Worms, Historisches Museum Luzern).
Wie die meisten der Scheiben von 1558/59 im Kreuzgang von Tänikon entstand die Scheibe in der Zürcher Werkstatt Niklaus Bluntschlis. Als Vorlage für die Verkündigungsszene diente der entsprechende Holzschnitt aus Albrecht Dürers “Marienleben” (Boesch 1943, Abb. 5). Dieselbe Dürer'sche Vorlage verwendete ein Meister aus dem Umkreis Bluntschlis auch für das Glasgemälde Sophia vom Grüths im Kloster Wettingen von 1563 und Bluntschli selbst für deren Scheibe im Museum Heylshof zu Worms von 1567.
Eine noch zur Hälfte erhaltene Rundscheibe ist als Flickstück in die vorliegende Scheibe eingefügt. Sie zeigt vor farblosem Grund einen Teil des Oberwappens der Stifterin, umfasst von einem gelben Schriftband: “[Gr]üt Der Zit Verwalterin Deß Gotzhuß Daeniken”. Da sich vom Grüth als Verwalterin und nicht als Äbtissin bezeichnet, muss die Rundscheibe zwischen 1548 und 1550 datieren. Die andere Hälfte der Rundscheibe war 1890 noch in der Scheibe Hans Waltmanns von 1564 (TG_1277) verflickt (Rahn, 1890).
Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1890, Nr. 56.
Heberle, 1891, Nr. 50.
Rahn/Nater, 1906, S. 17f., 426–439, spez. S. 427f., Nr. 1.
Boesch, 1943, S. 10, 29, 32, Abb. 6.
Knoepfli, 1950, S. 390f.
Naegeli, 1981, S. 92, Nr. 65 (Abb.).
Früh, 2001, S. 78.
Zehnder, 1992, S. 25, 95–99.