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TG_29: Bildscheibe Sophia vom Grüth (Greuth), Äbtissin Zisterzienserinnenkloster Tänikon, mit Verkündigung an Maria
(TG_Frauenfeld_HistMuseum_TG_29)

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Titel

Bildscheibe Sophia vom Grüth (Greuth), Äbtissin Zisterzienserinnenkloster Tänikon, mit Verkündigung an Maria

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Bluntschli, Niklaus · signiert
Datierung
1558

Ikonografie

Beschreibung

In der Bildmitte ist die Verkündigung dargestellt. Maria in blauem Mantel und weisser Kleidung kniet in der Mitte unter einem Baldachin, während über ihr die Taube des Heiligen Geistes schwebt und sich von links der Engel Gabriel mit Zepter und Schriftband nähert. An der Mauer hinter Gabriels Kopf hat der Glasmaler Niklaus Bluntschli sein Monogramm angebracht. Rechts neben Maria stehen vier nimbierte allegorische Frauengestalten. Es handelt sich um Sapientia als Verkörperung des Namens Sophia (griechisch "Weisheit") mit ihren drei Töchtern Caritas (Liebe), Spes (Hoffnung) und Fides (Glaube). Im Vordergrund dieser Figurengruppe kniet die Äbtissin Sophia vom Grüth neben ihrem Wappen. Seitlich begrenzt wird die Scheibe von zwei Säulen, bestehend aus in Rollwerk aufgelösten Basen mit Löwenfüssen, Hermenschäften und ziegenkopfbesetzten Kapitellen. Im Oberbild sprengt in einer Hügellandschaft von beiden Seiten ein wilder Mann zu Pferd heran, der eine mit einem Pfeil, der andere mit einem Baumstamm bewaffnet. In der Mitte des unteren Randes befinden sich Flickstücke anstelle der originalen Schriftrolle mit dem Stifternamen (ein Teil davon unter dem Fuss Gabriels noch vorhanden).

Iconclass Code
11HH(SOPHIA) · die Märtyrerin Sophia von Rom und ihre drei Töchter Fides, Spes und Caritas (Glaube, Hoffnung und Liebe); mögliche Attribute: Tripelkrone (für Sophia), Schwert (für ihre Töchter)
11M1 · Sapientia, Mutter der sieben Tugenden
46A122(GRÜTH VOM) · Wappenschild, heraldisches Symbol (GRÜTH VOM)
73A52 · die Verkündigung: Maria, die meistens liest, wird vom Engel Gabriel besucht (manchmal belauscht eine Frau die Unterhaltung)
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen vom Grüth, Sophia, Äbtissin Kloster Tänikon: In Gold entwurzelter, rot entflammter schwarzer Brand; Helm: blau; Helmdecke: golden und schwarz; Helmzier: über golden-schwarzem Wulst ein entwurzelter, rot entflammter schwarzer Brand.

Inschrift

AVE MAR[IA] GRATIA PLENA.
FIDES. SPES. CHARITAS. SAPIENCIA.
Auf dem Flickstück: [Gr]üt Der Zit Verwalterin Des Gotzhus Daeniken

Signatur

NB

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Mehrere alte Flickstücke im linken unteren Scheibenteil (eines davon aus einer Rundscheibe Sophia vom Grüths von 1548/50); eine neue Ergänzung im Himmel und eine weitere daneben beim Pferdekopf; Sprungbleie und Sprünge; die Verbleiung erneuert.

Rahn 1890: Neue Flickstücke eingesetzt.

Restaurierungen
1941 Karl Ganz, Zürich

Technik

Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit rückseitigem sowie blaues und rosa Glas mit vorderseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb, Eisenrot und blauer Schmelzfarbe.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Sophia vom Grüth († 3. März 1579), Tochter des Zürcher Ratschreibers und Gegner Zwinglis Joachim (am Grüt, von Greuth, † 1527) und der Veronika Schwarzmurer aus Zug, war Klosterfrau in Magdenau und wurde von den katholischen Orten 1548 als Schaffnerin zur Wiederherstellung des Klosters nach Tänikon berufen. 1550 wurde sie durch die Tagsatzung bestätigt und zur Äbtissin erhoben. Ihr Bruder, der Abt von Muri Joachim Christoph vom Grüth (1549–1564), hatte zuerst auf sie hingewiesen. Ihren Ernennungsbrief unterzeichneten Ratsherr Aufdermauer zu Schwyz, Pannerherr Wolfgang Kolin und Hans Letter, beide des Rats in Zug, und Hans Huber von Rapperswil. Bei ihrer Ernennung legte Sophia vom Grüth einen Bürgschein über 1000 Gulden vor, der vom thurgauischen Landschreiber Hans Locher, der ebenfalls eine Scheibe in den Kreuzgang von Tänikon stiften sollte (TG_27), entgegengenommen wurde. Unter ihrer Regentschaft wurden der Konvent erneuert und die Klosterbauten wiederhergestellt (Meyer-Marthaler, 1982, 944). Sophia besass vier Geschwister: die Brüder Theophil und der genannte Joachim Christoph sowie die Schwestern Meliora und Beatrix. Von diesen war die Erstere von 1553 bis 1599 Meisterin im Kloster Hermetschwil. Letztere lebte ebenfalls in Tänikon.
Sophia vom Grüth betätigte sich häufig als Scheibenstifterin. Ihre früheste bekannte Wappengabe ist diejenige in der Kirche Tänikon, die sie 1549 als Verwalterin des dortigen Klosters für einen unbekannten Ort ausführen liess (TG_303). Um die gleiche Zeit entstand ihre noch zur Hälfte erhaltene Rundscheibe, die als Flickstück in ihre 1558 in den Kreuzgang von Tänikon gelangte Scheibe eingefügt ist (TG_29). 1563 schenkte Sophia ein Scheibe in den Kreuzgang von Wettingen (Boesch 1943, S. 30; Hoegger 2002, S. 333_335, Abb. S. 140). Aus dem Kloster Magdenau stammt vermutlich ihr Glasgemälde von 1567 im Museum Heylshof in Worms (Boesch, 1943, 30). Wie aus den Klosterrechnungen Tänikons hervorgeht, gab sie während ihrer dortigen Zeit als Äbtissin weitere Fensterschenkungen in Auftrag, so 1552 für die Klosterkirche in Ittingen und Beat Quirinus in Zug, 1553 für ihren Bruder Theophil in Kreuzlingen, 1555 für den vermutlich oben erwähnten Hans Huber in Rapperswil und 1557 für den Zuger Landvogt Jakob Schicker (Boesch, 1943, 30f.).

Die vorliegende Scheibe war für den Kreuzgang ihres Klosters bestimmt. Der 1508 errichtete Kreuzgang von Tänikon mit seinen 22 Rundbogenfenster wurde in mehreren Etappen mit zahlreichen Glasgemälden ausgestattet. Eine erste Serie datiert in die Jahre 1558/1559. Die meisten dieser rund 20 Scheiben sind vom Zürcher Glasmaler Niklaus Bluntschli signiert. Eine einzelne Scheibe trägt das Monogramm Jos Murers.
Die zweite Serie stammt aus den Jahren 1563–1565 und umfasst mindestens 5 Scheiben. Eine davon trägt das Monogramm des Glasmalers Hans Füchslin. In den Jahren von 1585–1610 wurden weitere 11 Scheiben gestiftet. Nach 1610 gelangten weitere Glasgemälde nach Tänikon, die dort allerdings nicht mehr im Kreuzgang, sondern andernorts zur Aufstellung kamen (u.a. im Refektorium) (Rahn/Nater 1906, S. 17f., 426–439; Boesch, 1943).
Insgesamt 37 Scheiben aus dem Kreuzgang von Tänikon kaufte 1832 Johann Nikolaus Vincent aus Konstanz, in dessen Sammlung sie bis 1891 verblieben. In diesem Jahr verkauften Vincents Erben die Sammlung, und heute sind die noch auffindbaren Tänikoner Scheiben auf mehrere Institutionen verteilt (Schweizerisches Nationalmuseum, Historisches Museum Thurgau, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Musée Ariana Genf, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Museum Heylshof Worms, Historisches Museum Luzern).
Wie die meisten der Scheiben von 1558/59 im Kreuzgang von Tänikon entstand die Scheibe in der Zürcher Werkstatt Niklaus Bluntschlis. Als Vorlage für die Verkündigungsszene diente der entsprechende Holzschnitt aus Albrecht Dürers “Marienleben” (Boesch 1943, Abb. 5). Dieselbe Dürer'sche Vorlage verwendete ein Meister aus dem Umkreis Bluntschlis auch für das Glasgemälde Sophia vom Grüths im Kloster Wettingen von 1563 und Bluntschli selbst für deren Scheibe im Museum Heylshof zu Worms von 1567.

Eine noch zur Hälfte erhaltene Rundscheibe ist als Flickstück in die vorliegende Scheibe eingefügt. Sie zeigt vor farblosem Grund einen Teil des Oberwappens der Stifterin, umfasst von einem gelben Schriftband: “[Gr]üt Der Zit Verwalterin Deß Gotzhuß Daeniken”. Da sich vom Grüth als Verwalterin und nicht als Äbtissin bezeichnet, muss die Rundscheibe zwischen 1548 und 1550 datieren. Die andere Hälfte der Rundscheibe war 1890 noch in der Scheibe Hans Waltmanns von 1564 (TG_1277) verflickt (Rahn, 1890).

Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1890, Nr. 56.
Heberle, 1891, Nr. 50.
Rahn/Nater, 1906, S. 17f., 426–439, spez. S. 427f., Nr. 1.
Boesch, 1943, S. 10, 29, 32, Abb. 6.
Knoepfli, 1950, S. 390f.
Naegeli, 1981, S. 92, Nr. 65 (Abb.).
Früh, 2001, S. 78.
Zehnder, 1992, S. 25, 95–99.

Datierung
1558
StifterIn

Grüth, Sophia vom († 1579), Äbtissin Kloster Tänikon

Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Seit 1955 Historisches Museum Thurgau

Vorbesitzer*in

1832–1890 Sammlung Johann Nikolaus Vincent, Konstanz · Seit 1891 Bundesrichter Jakob Huldreich Bachmann (1843–1915), Schloss Frauenfeld

Inventarnummer
T 6453

Bibliografie und Quellen

Literatur

Boesch, P. (1943). Die Glasgemälde aus dem Kloster Tänikon. Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. XXXIII, H. 3.

Früh, M. (2001). Führer durch das Historische Museum des Kantons Thurgau (2. Auflage 2001). Frauenfeld.

Heberle, J.M., Köln (1891). Katalog der reichhaltigen Kunst-Sammlung der Herren C. und P.N. Vincent in Konstanz am Bodensee. Versteigerung zu Konstanz am Bodensee, den 10. September 1891. Köln.

Hoegger, P. (2002). Glasmalerei im Kanton Aargau. Kloster Wettingen. Corpus Vitrearum Schweiz, Reihe Neuzeit, Bd. 1. Aarau: Kanton Aargau.

Knoepfli, A. (1950). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau, Bd. I: Der Bezirk Frauenfeld. Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Basel: Verlag Birkhäuser.

Meyer-Marthaler, E. (1982). Tänikon, Zisterzienserinnen. In C. Sommer-Ramer und P. Braun (Red.). Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, die reformierten Bernhardinerinnen, die Trappisten und Trappistinnen und die Wilhelmiten in der Schweiz. Helvetia Sacra (HS), Abteilung III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 3, Zweiter Teil (S. 917–950). Bern: Francke Verlag.

Naegeli, M. u.a. (1981). Zürcher Kunst nach der Reformation. Hans Asper und seine Zeit. Katalog zur Ausstellung im Helmhaus, Zürich 9. Mai bis 28. Juni 1981. Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft.

Rahn, J.R. (1890). Die schweizerischen Glasgemälde der Vincentschen Sammlung in Constanz. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. XXII, Heft 6.

Rahn, J.R., Nater, J. (1906). Das ehemalige Frauenkloster Tänikon im Thurgau. Kunstgeschichtliches von Prof. Dr. J.R. Rahn, Die Geschichte des Stiftes von Joh. Nater. Zürich: Buchdruckerei Berichthaus.

Zehnder, H. (1992). Tänikon 789–1989. Tänikon: Katholische Kirchgemeinde Tänikon.

Weiteres Bildmaterial

Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Foto 6180 und 35908

Vorlage

Dürer, Albrecht: Marienleben

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Frauenfeld_HistMuseum_TG_29
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2018
Copyright
© Historisches Museum Thurgau
Eigentümer*in

Seit 1955 Historisches Museum Thurgau

Inventar

Referenznummer
TG_29
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2020; Sarah Keller 2020

Weiteres Bildmaterial und verwandte Objekte

Zusätzliches Bildmaterial
Schema