Die Frauenfelder Stadtscheibe folgt in ihrer Komposition den Scheiben von 1543 (TG_20) und 1553 (TG_26). Wie auf letzterer fungieren Engel als Schildhalter.
Während die Scheibe von 1553 vermutlich in der Werkstatt des Zürcher Glasmalers Niklaus Bluntschli entstand, ist bei der vorliegenden Balthasar Federlin als Hersteller anzunehmen. Zwar hatte sich der aus Frauenfeld stammende Glasmaler bereits 1563 in Konstanz einbürgern lassen, auch danach war er aber wiederholt für Stifter aus dem Thurgau tätig (vgl. TG_298; TG_288; 1574 Allianzscheibe Liebenfels-Meldegg, Schweizerisches Nationalmuseum, Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 346). 1579 schuf Federlin zwei Frauenfelder Stadtscheiben, die nach Schwyz gingen, eine davon in das Haus des Thurgauer Landvogtes Martin Degen (Rott, 1933, S. 262). Degen war von 1552–54 und von 1566–68 Landvogt im Thurgau und zwischen 1558–85 wiederholt Tagsatzungsgesandter (Auf der Maur, 2016). Federlins signierte Werke sind in Bezug auf Figurenstil, Schriftcharakter und Motivwahl eng verwandt (vgl. Willkommscheibe des Hans Ulrich Mollesin 1565, Kunstgewerbemuseum Prag, Boesch, 1935, S. 258, Nr. 2; Allianzscheibe Hans Heinrich Lanz von Liebenfels und Sibylle Reichlin von Meldegg, Schweizerisches Nationalmuseum, Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 346; Wappenscheibe Heinrich Keller und Margaretha Zili 1581, Worms, Museum Heylshof, Foto Vitrocentre Romont; TG_298).
Die Rechnungsbücher der Stadt Frauenfeld (Bürgerarchiv Frauenfeld, Rechenbuch D1) verzeichnen die Stiftung im Jahr 1567 nicht. 1567/68 stiftete die Stadt Wil eine von Jos Murer geschaffene, ganzbögige (40 x 30 cm) Scheibe in das Haus des “Rüöbly” in Frauenfeld (Seckelamtsrechnung Wil 1567/68, No. 791; Boesch, 1949, S. 10). In den Eidgenössischen Abschieden des Jahres 1571 ist das Gesuch des Ammanns Ruppli zu Frauenfeld um Schenkung von Fenstern mit den Wappen der Orte in sein neues Haus festgehalten (Eidgenössische Abschiede, 4,2, S. 1054). Und im selben Jahr, 1571, ist die Stiftung einer Zürcher Standesscheibe in das Haus des Ammanns Rüplin in Frauenfeld, hergestellt von Heinrich Werder, belegt (Meyer, 1884, S. 235). Der reichenauische Ammann Joachim Rüpplin (†1589), Sohn des Job, war verheiratet mit Barbara Locher von Freudenberg und erwarb 1555 die Güter der ehemaligen Burg Helfenberg bei Buch bei Frauenfeld sowie 1566 die niederen Gerichte Kefikon und Islikon. 1567 kaufte er den hinteren (alten) Strasshof in Frauenfeld, der sich davor in Besitz des Klosters Reichenau befunden hatte, und errichtete im zweiten Obergeschoss einen repräsentativen Festsaal (Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 90–91; Knoepfli, 1950, S. 152; Trösch, 2010; vgl. TG_255). Für diesen reich mit ornamentaler Malerei dekorierten Saal waren die in den Quellen belegten Fensterstiftungen bestimmt. Sicherlich stiftete damals auch die Stadt eine Scheibe in das neuerworbene Haus des prominenten Bürgers. Vielleicht handelt es sich dabei um das vorliegende, ebenfalls ganzbögige Glasgemälde.
Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1883, S. 48, Nr. 30.
Büchi, 1890a, S. 32.
Büchi, 1890b, S. 36, Nr. 5.
Stähelin, 1890, S. 46, Nr. 39.
Knoepfli, 1950, S. 143, 182.
Boesch, 1954.
Naumann, 1966, S. 59.
Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 20, 38, Abb. 15.
Früh/Ganz, 1987, S. 18.