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Sebastian Muntprat von Salenstein († 1550), der Sohn des Konstanzer Bürgermeisters Jakob, entsprang einem im Bodenseegebiet verbreiteten Geschlecht lombardischer Herkunft. Er war 1519 Herr des von ihm damals neu erbauten Schlosses Hard bei Ermatingen und wurde um die gleiche Zeit Herr zu Weinfelden und mit dem Meiertum zu Eschenz belehnt. 1521 unternahm er eine Pilgerreise nach Palästina und 1548 ist er als Ausgeselle der Gesellschaft "Zur Katze" in Konstanz belegt. Bei seinem Tod wurde er in der Turmkapelle der Kirche Ermatingen bestattet. Mit seiner aus einer Familie von Überlingen stammenden Gemahlin Christina von Altheim hatte er sieben Kinder. Diese gab 1542 ihre Einwilligung zur Abgabe der Rechte über die Vogtei Eggen im Thurgau an den Bürgermeister und Rat von Konstanz, und zwar im Tausch gegen jene über Weinfelden (von Knobloch 1919, S. 174, Stammtaf. B; TG_16). Das Historische Museum des Kantons Thurgau in Frauenfeld ist im Besitz einer Allianzwappenscheibe, die das Ehepaar 1521 ins Rathaus von Ermatingen gestiftet hat (Inv. T 6444; TG_16). Zudem liess Christina von Altheim als Witwe 1553 eine heute verschollene Scheibe ausführen, die sich vormals in der Sammlung Debruge-Dumenil befand (Wartmann 1909, S. 178, Nr. 488).
Sich auf die 1940 von E. B. Porezkaja in der Abteilung für westeuropäische Kunst der Eremitage gemachten Angaben stützend, zieht Elena Shlikevich als Schöpfer der Scheibe einen Meister aus dem Umkreis des Zürcher Glasmalers Carl von Egeri in Betracht. Das erwähnte Glasgemälde, das unser Ehepaar 1521 ins Rathaus Ermatingen verehrte, stammt allerdings aus der Konstanzer Werkstatt Ludwig Stillharts (†1536/37). Dass es seine Scheibe von 1542 auch dort bei Stillharts Sohn Caspar (†1548) in Auftrag gab, lassen die diesem zuzuweisenden, stilistisch nahestehenden Arbeiten vermuten. Dazu zählt beispielsweise die ebenfalls 1542 datierte Allianzwappenscheibe des Ludwig von Ulm und der Margaretha Muntprat, Sebastians Tochter, im Historischen Museum des Kantons Thurgau in Frauenfeld (Inv. T 23488, 40.2 × 30.2 cm; TG_287). Im Damastmuster und in der Schriftform der Stifternamen stimmt sie mit derjenigen in der Eremitage überein. Sollten diese beiden in der Grösse korrespondierenden Glasgemälde demnach den gleichen Bestimmungsort gehabt haben? Ein weiteres Vergleichsstück bietet Caspar Stillharts Wappenscheibe für das Domkapitel Konstanz von 1543 in der Sammlung Rutishauser in Kreuzlingen, die wiederum dieselbe Schriftform sowie eine ähnlich komponierte Rahmenarkade zeigt (Inv. HRK 40113, 40.5 × 30.9 cm; TG_1961).
Wie Zeiners Zyklus aus Baden befand sich die Scheibe vielleicht in der Chartreuse bei Hilterfingen, der 1819–1821 erbauten Sommerresidenz des Berner Staatsmanns Niklaus Friedrich von Mülinen (1760–1833). 1831 wurde die Chartreuse von Rudolf Emil Adolf de Rougemont (1805–1844) erworben, und zwar unter Einschluss der dortigen Scheibensammlung von Mülinens. Nach de Rougemonts Tod blieb dessen Witwe Adele von Bonstetten (1814–1883) bis 1863 dort wohnhaft. Damals übersiedelte sie ins Schloss Hünegg, das sie und ihr zweiter Gemahl Albert von Parpart (1813–1869) nahe der Chartreuse hatten errichten lassen. Zu den von ihnen damals von dort in die Hünegg übernommenen Glasgemälden könnte die vorliegende Scheibe gehört haben. Denkbar ist aber auch, dass sie erst nach 1863 in den Besitz des Paares gelangt ist. Beim Tode der Adele von Bonstetten war sie jedenfalls in der Hünegg, wurde sie doch von deren Erben Franz von Parpart, dem Neffen Alberts, 1884 von dort nach Köln an die Auktion bei J. M. Heberle überführt. Laut Johann Karl Bossard wurde sie damals für 1325 Mark an den Frankfurter Kunsthändler Ferdinand August Christian Prestel (1826–1890) verkauft. Ihre weitere Besitzergeschichte hat Elena Shlikevich im Petersburger Ausstellungskatalog von 2010 aufzeigen können. Demnach muss das Werk 1884 oder kurz danach von Prestel an den Wechselmakler und Sammler Louis Alexander Ricard-Abenheimer (1866–1924) in Frankfurt am Main und von diesem nach relativ kurzer Zeit (vor 1893) an das Museum der 1876 durch den Bankier und Baron Alexander Ludwigowitsch von Stieglitz (1814–1884) in St. Petersburg gegründeten Zentral-Schule für Technisches Zeichnen (heutige Stieglitz-Kunstgewerbe-Akademie) gelangt sein. Von dort kam es 1932 schliesslich in die Eremitage.
Die Scheibe wird genannt in:
Heberle,1884; S. 38, Nr. 527.
Bossard, 1884, Nr. 527.
Carbonier, 1893, Nr. 640.
Shlikevich, 2002, Nr. 19.
Shlikevich, 2010, S. 26, Nr. 4, Taf.
Hasler, 2023, S. 50, Nr. 37.
Datation
1542
Commanditaire / Donateur·trice
Muntprat von Salenstein, Sebastian · Altheim, Christina von
Localisation d'origine
Propriétaire
Seit 1932 Eremitage, St. Petersburg
Propriétaire précédent·e
Vielleicht bis 1831 Niklaus Friedrich von Mülinen und bis 1863 Rudolf Emil Adolf de Rougemont bzw. Adele von Bonstetten, Chartreuse (Hilterfingen) · Seit oder nach 1863–1884 Albert von Parpart und Adele von Bonstetten, Schloss Hünegg (Hilterfingen) · 1884 Franz von Parpart bzw. Auktionshaus Heberle, Köln · 1884 Kunsthändler Ferdinand August Christian Prestel, Frankfurt a. M. · Seit ca. 1884 Louis Alexander Ricard-Abenheimer, Frankfurt am Main · Vor 1893–1932 Museum der Zentral-Schule für Technisches Zeichnen (heutige Stieglitz-Kunstgewerbe-Akademie), St. Petersburg
Numéro d'inventaire
B-83