Matthias Stähelin (†1636) war bis 1604 Prior und ab diesem Jahr bis zu seiner Resignation 1616 Abt des Benediktinerklosters Fischingen. Er setzte den Reformkurs seines Vorgängers Benedikt Rennhas fort, unterhielt eine Klosterschule, richtete eine Bibliothek im Kloster ein und schaffte eine grosse Orgel für die Kirche an. Sowohl Stähelin als auch der Konvent pflegten nach Ansicht der Visitatoren jedoch zu enge Beziehungen zur Umwelt, statt sich völlig dem inneren Leben des Klosters zu widmen. 1616 resignierte Stähelin deswegen, lebte aber noch zwanzig Jahre als Mönch im Kloster bis er 1636 verstarb (Meyer, 1976, S. 121f.; Meyer, 1986, S. 701).
In den bald nach Amtsantritt errichteten Bibliotheksraum stiftete der Rheinauer Abt Gerold Zurlauben 1606 eine Scheibe (Knoepfli 1955; S. 83). Man kann sich deshalb fragen, ob Stähelin eines seiner beiden heute im Kloster Fischingen befindlichen Glasgemälde (TG_101, TG_1681) damals gleichfalls für dort anfertigen liess. Ein zweiter möglicher Bestimmungsort ist der in jener Zeit erneuerte Kreuzgang des Zisterzienserinnenklosters von Magdenau (Kanton St. Gallen). 1607 stiftete der St. Galler Abt Bernhard Müller ein ebenfalls bei Tobias Erhart in Auftrag gegebenes Glasgemälde dorthin (Anderes, 1994, Nrn. 10, 11).
Verschollen ist die 1610 datierte, dem Wiler Glasmaler Hans Melchior Schmitter zugeschriebene Wappenscheibe Stähelins, die sich vormals in Berliner Privatbesitz befand (49 x 38.5 cm; SNM Zürich, Foto 22996; Boesch, 1949, Nr. 23; Boesch, 1950, S. 87f., Fig. 84). Diese Wappenstiftung Stähelins ist genau gleich gestaltet (Wappen, Figuren, Rahmung) wie die vorliegende. Ähnlich komponiert ist gleichfalls das unsignierte Glasgemälde Matthias Stähelins von 1606 in der Kirche St. Catherine zu Birtles in England (Boesch, 1953).
Die Scheiben Stähelins zeigen jeweils vier Heiligenfiguren. Bei der vorliegenden, von Tobias Erhart signierten Scheibe sind nur die linken beiden Figuren, Johannes der Täufer und der Apostel Matthias, original. Auf der ebenfalls von Erhart signierten Scheibe Stähelins von 1606 (TG_101) sind nur die unteren, Johannes der Täufer und die hl. Katharina original. Auf der Scheibe von 1610 sind wahrscheinlich alle Figuren original: oben links Johannes der Täufer, rechts Johannes der Evangelist, unten links der Apostel Matthias und rechts die hl. Katharina. Demnach entsprachen bei vorliegender Scheibe die heutigen ergänzten Stücke mit den Figuren des Johannes Evangelist und der hl. Katharina der ursprünglich vorhandenen Darstellung. Während zur Gründungszeit Maria die Patronin des Klosters Fischingen war, wurde später (ab 12. Jh.?) Johannes der Täufer Mitpatron. Zu Beginn des 17. Jh. wurden dann Johannes der Täufer und Johannes Evangelist als Patrone des Klosters Fischingen genannt. Die im Oberbild dargestellte hl. Idda trat seit der Gründung der Idda-Bruderschaft 1580 immer stärker in den Vordergrund und wurde Kirchen- und Klosterpatronin genannt. Ende des 17. Jh. wird dann neben Maria die hl. Idda zur eigentlichen Klosterpatronin (Meyer, 1976, S. 135f.) Die hl. Katharina erhielt 1637 unter Abt Placidus Brunschwiler eine Kapelle in Fischingen (Knoepfli, 1955, S. 83) und kam auf dessen Wappenscheiben wiederholt zur Darstellung. Offenbar war die Heilige bereits davor, unter Abt Matthias Stähelin, für Fischingen bedeutsam.
Nach demselben Schema mit den vier Heiligenfiguren ist auch die Scheibe des Fischinger Abtes Benedikt Rennhas von 1602 (TG_1680) aufgebaut. Als Heilige erscheinen die beiden Johannes, der hl. Benedikt und die hl. Anna. Das Oberbild mit der mit der hl. Idda ist identisch wie auf Stähelins Scheibe von 1605 (TG_101) gestaltet. Rennhas' Scheibe ist ebenfalls Tobias Erhart zuzuweisen.
1932 befand sich die vorliegende Scheibe in der Kanzlei im Kloster Fischingen (Ackermann, 1932), spätestens seit 1993 befindet sie sich in einem der Fenster der Abtskapelle (Schildknecht 1993).
Die Scheibe wird genannt in:
Ackermann, 1932, S. 14, 99.
Henggeler, 1938, S. 31.
Boesch, 1949, S. 28 (Nr. 23).
Boesch, 1950, S. 88.
Hartmann, 1953, S. 25, Nr. 35.
Knoepfli, 1955, S. 215f., Nr. 1.
Boesch, 1955, S. 20.
Barockes Fischingen, 1991, S. 272–274.
Anderes, 1994, S. 199, Nr. 11 (Abb.).
Anderes, 1995, S. 101 (Abb.).
Allgemeines Künstler-Lexikon, 2002, S. 326.