Die überlieferten Frauenfelder Stadtscheiben zeigen entweder die Gründungssage (TG_20; TG_26; TG_76) oder Schildhalter als zentrales Motiv. Die Schildhalter sind meist Engel (TG_21; TG_76; TG_42; TG_26; Scheibe von 1677, Privatbesitz, Foto Vitrocentre Romont). Wildmänner wie auf der vorliegenden Scheibe erschienen aber bereits 1533 auf einer Stadtscheibe, die ins Gemeindehaus in Unterstammheim ZH gestiftet wurde (Das Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 38, Abb. 23).
Aufgrund der ergänzten Inschrift der Stadtscheibe fehlt eine genaue Datierung. Im Historischen Museum Thurgau befindet sich eine etwas kleinere Frauenfelder Stadtscheibe, datiert 1623, die in stilistischer Hinsicht eng verwandt ist (TG_21). Insbesondere die Gestaltung des “Fräuli mit em Leuli” im Wappen entspricht einander, ebenso ist die Komposition der Scheibe und der Figurenstil sehr ähnlich. Der Winterthurer Glasmaler Hans Jegli hat die Scheibe von 1623 signiert. Bereits 1601 hatte Jegli einen Scheibenriss mit zwei Wildmännern in ähnlicher Körperhaltung signiert (Sammlung Wyss, Bernisches Historisches Museum; Hasler, 1996/97, S. 177, Abb. 560). In seinem Werk finden sich auch wiederholt sehr ähnliche Putten wie im Oberbild des vorliegenden Glasgemäldes, so etwa auf einem Scheibenriss im Kunsthaus Zürich (1622, Inv. Nr. 95). Jegli – orientierte sich offenbar – wie so häufig – an einem Scheibenriss oder einer ausgeführten Scheibe der Werkstatt Murer. So zeigt die von Josias Murer signierte Freiburger Standesscheibe von 1608 (FR_226) zwei Schildhalter mit entsprechender Kopfhaltung. Dieser Standesscheibenzyklus von 1608 und Jeglis Autorschaft geben den Rahmen für die Datierung vor. Jegli trat 1635 das Amt als Grossrat an und scheint seinen Beruf aufgegeben und die von ihm geleitete Werkstatt seinem Sohn Hans Ulrich überantwortet zu haben.
Paul Boeschs Zuschreibung an Jakob I. Weber stützt sich auf die Ähnlichkeit der Schrift (Boesch, 1955, S. 77). Die Inschrift ist aber ergänzt.
Der ursprüngliche Bestimmungsort der vorliegenden Frauenfelder Stadtscheibe ist nicht überliefert. Da sie mit ihrem bögigen (40 x 30 cm) Format zu den grossformatigeren Glasgemälden gehört, war sie vermutlich für ein öffentliches, repräsentatives Gebäude bestimmt. Dabei ist vor allem an das 1626/27 neu errichtete Schützenhaus in Frauenfeld zu denken. 1626 erhielt dieses je eine Scheibe der Stadt Winterthur (Boesch, 1955, S. 113) sowie der Stadt Diessenhofen (Raimann, 1992, S. 202). Die Glasgemälde des Schützenhauses fielen 1795 grösstenteils einem Unwetter zum Opfer. Einige blieben aber vom Hagel verschont und verschwanden aus dem Schützenhaus an unbekannte Orte (Knoepfli, 1950, S. 157).
Daneben käme auch die Zunft zu Kaufleuten in Stein am Rhein in Frage, die 1629/30 etwa 18 Standes- und Stadtscheiben erhielt, darunter auch eine von Frauenfeld (Boesch, 1950, S. 122–125, 174f.; Raimann/Erni, 2001, S. 419; Hasler, 2010, S. 173).
Die Scheibe wird genannt in:
Knoepfli, 1950, S. 182.
Boesch, 1955, S. 77 (Jakob I. Weber).
Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 22f., 38, Abb. 16.
Früh, 2001, S. 61.