Der ursprüngliche Bestimmungsort und Stifter der vorliegenden Scheibe sind nicht überliefert. Büchi (1890) spricht das Wappen mit der Eule Lienhard Mag zu und datiert die Scheibe 1506. Belege für seine Zuweisung und Datierung führt er allerdings keine an. Vorsichtiger äussert sich dementsprechend Knoepfli, der die Scheibe an den Anfang des 16. Jahrhunderts setzt und das Wappen als unbekannt bezeichnet (Knoepfli, 1950, S. 143). Nach Kindler von Knoblochs Geschlechterbuch (1898, Bd. I, S. 277) führte Melchior Bucklin (Bicklin), der Stadtammann von Überlingen, 1496 in seinem Schilde eine auf einem Ast stehende Eule. Das Glasgemälde mit dem hl. Michael stammt jedoch eher, wie der Kanoniker zur rechten Seite des Heiligen zeigt, aus einem klösterlichen denn aus einem bürgerlichen Zusammenhang. Der Habit des Kanonikers, bestehend aus weisser Tunika und weissem Skapulier, identifiziert ihn als Prämonstratenser oder als Kartäuser. Er trägt ein Scheitelkäppchen (Pileolus) in seinen Händen und um seine Schultern die Almutie. Dieses Schultermäntelchen gehörte zur Kleidung der Chorherren und weist somit den Stifter als solchen aus. Da die Prämonstratenser regulierte Chorherren waren, die Kartäuser hingegen Mönche, liegt nahe, dass der Stifter der vorliegenden Scheibe als Prämonstratenser zu deuten ist. Der Stifter auf der linken Seite des Erzengels ist aufgrund seines langen Gewandes und der fehlenden Tonsur wegen wohl als Gelehrter zu identifizieren. Es ist nicht auszuschliessen, dass es sich um den Stadtammann Bucklin, der neben seinem Amt vielleicht einen Gelehrtenberuf ausübte, handelt. Da sich nur ein Wappen auf der Scheibe befindet, sind die beiden dargestellten Stiftern möglicherweise als Brüder zu identifizieren.
Der Orden der Prämonstratenser-Chorherren hatte mehrere Klöster in der Schweiz. Der Abt des Klosters von Rüti ZH stiftete 1517 zwei Glasgemälde in den Thurgau, nämlich in die Filialkirche Aadorf (vgl. TG_13). Bei vorliegender Scheibe ist jedoch kein Bezug zu Rüti feststellbar. Näher liegt ein Zusammenhang zum Prämonstratenserkloster von Churwalden (Muraro, 2002, S. 271f). Dessen Patron war neben Maria der hl. Michael. Eine vergoldete Metallplakette aus Churwalden (Kupferstichkabinett Berlin; Poeschel, 1937, S. 247, Abb. 237) zeigt denn auch eine sehr ähnliche Darstellung eines knienden Stifters im Habit der Prämonstratenser, mit Schultermäntelchen. Dabei handelt es sich um den Abt Ludwig von Lindau (1461–1488). Jedoch liess sich bislang keine Verbindung zwischen dem Thurgau und Churwalden feststellen. Auch das Wappen mit der Eule (Bucklin?) lässt sich keinem bekannten Mitglied des Ordens zuweisen.
Daneben käme auch in Frage, dass der Stifter ein Mitglied des weltlichen Chorherrenstifts von St. Pelagius in Bischofszell war. Seit 1469 besteht dort eine dem hl. Michael gewidmete Kapelle (Knoepfli, 1962, S. 228; Bischof, 1993, 215–245). Dies könnte den Grund für die Darstellung des Heiligen auf der Scheibe liefern. Auch in diesem Fall liess sich jedoch keine Verbindung des Wappens zu einem Chorherren herstellen.
Die Frage nach der Identität der Stifter muss weiterhin offen bleiben. Hingegen lässt sich feststellen, wo das Glasgemälde hergestellt wurde. Eine um 1508 in der Werkstatt Lukas Zeiners entstandene Standesscheibe Zürichs aus der Kirche Wald ZH weist dieselbe architektonische Rahmung wie die vorliegende Scheibe auf (Schweizerisches Nationalmuseum; Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 112). Zwei weitere aus dieser Werkstatt stammende Glasgemälde sind besonders eng verwandt. So zeigt die Wappenscheibe der Grafen von Sulz (um 1500; Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 54) eine dem hl. Michael sehr ähnliche Figur, die Wappenscheibe Wiederkehr aus dem Jahr 1500 (Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 43) in der Figur der Spinnerin eine dem rechten Stifter entsprechende Figur. So besteht kaum Zweifel daran, dass auch die Scheibe mit dem Erzengel aus dieser Zürcher Werkstatt stammt.
Eine in kompositorischer Hinsicht sehr ähnliche Darstellung des hl. Michaels mit der Seelenwaage findet sich auf einer um 1506 entstandenen Scheibe im Bernischen Historischen Museum (Inv. Nr. 6076, BE_1142).
Die Scheibe wird genannt in:
Büchi, 1890a, S. 31.
Büchi, 1890b, S. 35, Nr. 1.
Stähelin, 1890, S. 44, Nr. 28.
Knoepfli, 1950, S. 143, Abb. 101.
Früh, 2001, S. 47.