Forschung
Johann Wendel Locher († 1629) taucht in den Frauenfelder Akten erst 1607 auf. Er war ein Bruder Hans Melchiors († 1614). Hans Wendel Locher war von 1607 bis zu seinem Tod Amtmann der Dompropstei Konstanz in Frauenfeld. Daneben übte er für die Kartause Ittingen das Amt des Gerichtsschreibers aus. 1609–1615 sass er im Grossen Rat, 1612–1615 amtete er als Stadtrichter und 1620 war er Schützenhauptmann in der Kriegsmannschaft der Landgrafschaft Frauenfeld. Seine Frau Maria Jakobea Hug führt das gleiche Wappen wie der Wiler Glasmaler Hans Melchior Schmitter gen Hug. Wie Margrit Früh feststellte, ist mit der “Citadel am Berg in Presen” wohl die 1569 erbaute und 1611 zerstörte Zitadelle in Bourg-en-Bresse gemeint (Früh, 1983, S. 191). Bourg-en-Bresse wurde nach 1601, mit dem Wechsel von savoyischer zu französischer Herrschaft, zu einem Zentrum der Justiz und benötigte dementsprechend zahlreiche Gerichtsschreiber (vgl. Cler-Garçon, 1933, S. 178). Lochers Wappen mit Tinkturangaben entspricht demjenigen von dessen Vorfahren Jakob Locher, der 1494 von Kaiser Friedrich einen Wappenbrief erhielt (Locher, 1940, S. 61f.).
Im Frauenfelder Museum befinden sich zwei 1607 von Hans Jegli geschaffene Entwürfe mit gleichlautender Stifterinschrift (TG_1446, TG_1789). Margrit Früh vermutete, dass sie als Varianten für ein- und dieselbe Wappenstiftung Johann Wendel Lochers dienten. Allerdings ist der vorliegende Riss im Unterschied zum anderen nicht für eine Allianzscheibe, mit Darstellung beider Wappen des Ehepaares, gedacht. Wahrscheinlich diente mindestens einer der Risse für eine Stiftung in die Kartause Ittingen, wo laut Stifterinschrift Johann Wendel Locher 1607 Gerichtsschreiber war. Beide Risse zeigen ausserdem eine Justitia, die auf dieses Amt hinweist. Im selben Jahr schuf Hans Jegli drei weitere Scheibenrisse für eine in die Ittinger Kartause gestiftete Scheibenserie (vgl. Boesch, 1955, 28–29). Es handelt sich um zwei Gemeindescheiben Uesslingen und Buch, die zur niederen Gerichtsherrschaft Ittingens gehörten (Schweizerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. 1922/1108 und 6/34). Der dritte Entwurf ist für eine Scheibe des Pfarrers von Uesslingen, Michael von Lichtenfels, bestimmt (Historisches Museum St. Gallen).
Der Scheibenriss wird genannt in:
Locher, 1940, S. 24, 54.
Galerie Dobiaschofsky, 1969, Nr. 1207, Taf. 59.
Früh, 1983, S. 193, Abb. 4.
Datierung
1607
StifterIn
Locher, Johann Wendel, Frauenfeld
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 1969 Historisches Museum Thurgau
Vorbesitzer*in
Arnold Hess, Frauenfeld · 1969 Galerie Dobiaschofsky, Bern
Inventarnummer
T 3348