Die auf der Stadtscheibe festgehaltene Ansicht des Städtchens Steckborn zeigt in der im Vordergrund gegen den Untersee zugewandten Häuserkette aussen links den befestigten Turmhof und in der Mitte den Rathausneubau mit seiner Giebelfront und dem Schiffssteg davor. Vom Rathausplatz führt die Kirchgasse in die Tiefe zum Obertorplatz mit dem grossen Brunnen, hinter dem die Stadtkirche St. Jakob zu sehen ist. Seit der Reformation kam es in Steckborn immer wieder zu Konflikten zwischen den dort paritätisch organisierten Neu- und Altgläubigen, das heisst zwischen der reformierten Mehrheit und der katholischen Minderheit. Die Stadtväter sahen sich 1667 wohl deshalb dazu veranlasst, auf ihrer für das eigene neue Rathaus bestimmten Scheibe den altdeutschen Friedensspruch “Friede ernährt, Unfriede verzehrt” und als weiteres Friedenssymbol die von den Schildwächtern empor gehaltenen Palmwedel festzuhalten, um so ein Zeichen für Harmonie und Verständigung zu setzen.
Im blauen Gebälk ist eine kaum erkennbare Inschrift radiert. Der genannte Name bezieht sich auf Hans Ulrich Hausmann, der 1667 gemeinsam mit Daniel Hausmann das Bürgermeisteramt in Steckborn inne hatte und von denen beiden damals eine Wappentafel am neuen Rathaus angebracht wurde. Hans Ulrich Hausmann übernahm das Bürgermeisteramt 1650 von seinem Vater Hans Jakob. 1662 schrieb er eine Chronik zu Steckborn (Raimann/Erni, 2001, S. 328). 1664 erwarb er einen Hof in Eschenz (Staatsarchiv St. Gallen, Urk. RRR3 Nr. 176). Zur Einweihung des Rathauses verfasste Hans Ulrich Hausmann 1667 ein Schreiben, das sich in der Kuppel des Rathausturmes erhalten hatte (Gräflein, 1984). Mit dem genannten “Newen Hus” war vermutlich das Steckborner Rathaus, das 1667 unter der Leitung Hans Ulrich Hausmanns errichtet wurde, gemeint. Die radierte Inschrift diente dem Glasmaler wahrscheinlich zur Unterscheidung von einer weiteren, identisch gestalteten Steckborner Stadtscheibe aus dem gleichen Jahr.
1668 erhielt das Rathaus Steckborn auch eine Stadtscheibe von Frauenfeld (Das Rathaus Frauenfeld, S. 38), 1675 eine von Stein am Rhein (Hasler, 2010, S. 164). Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass die Scheibe für das Wohnhaus des Bürgermeisters bestimmt war.
Im Februar 1668 bewilligte der Rat zwei Dukaten Trinkgeld für einen Glasmaler von Konstanz (Bürgerarchiv Steckborn, B 15, 281; Raimann/Erni, 2001, 544, Anm. 993). Bei diesem Glasmaler handelt es sich um Wolfgang Spengler, der sein Monogramm auf die Säulenbasis links oben setzte, und mehrere Stadtansichten wie diejenige der Steckborner Scheibe auf Glasgemälde brachte. Das Rosgartenmuseum in Konstanz etwa besitzt zwei Glasmalereien mit Ansichten der Stadt Konstanz (1684, Inv. Nr. 1989/A 114; 1653, signiert, Inv. Nr. 1989/A 106) von ihm. Spengler übernahm für die Konstanzer Scheibe von 1653 die Stadtansicht aus der Topographia Suaviae von Matthäus Merian d.Ä. (1643). In diesem Band wird auch die Stadt Steckborn erwähnt, jedoch ohne begleitende Abbildung.
Eine moderne Kopie der Scheibe befindet sich ebenfalls im Turmhof Steckborn (Raimann/Erni, 2001, 419).
Weitere Steckborner Stadtscheiben sind aus dem Jahr 1543 (im Rathaus von Stein am Rhein; Hasler, 2010, Nr. 161), um 1550 (Quelle, für die Kaufleutenstube von Stein am Rhein bestimmt; Hasler, 2010, S. 165), 1629/39 (Quelle, für das Rathaus von Stein am Rhein bestimmt; Raimann/Erni, 2001, S. 419) und 1661(?) (Detroit, Institute of Arts; Raguin/Zakin, 2001, S. 301–304) und 1726 (verschollen, aus der Schlosskapelle Wolfsberg in Ermatingen; Raimann/Erni, 2001, S. 419) bekannt. Die in Detroit befindliche Scheibe ist nach demselben Schema wie die vorliegende aufgebaut und trägt denselben Friedensspruch. Ihre Datierung ist unsicher, da das Stück mit der Jahreszahl eine nach 1911 gefertigte Ergänzung ist (vgl. Lehmann, Nr. 177, Abb.). In den 1660er Jahren erhielt das Zisterzienserinnenkloster Feldbach bei Steckborn Scheibenstiftungen, u.a. 1668 eine Stadtscheibe von Wil (Boesch, 1949, S. 31). Möglicherweise war die heute in den USA befindliche Steckborner Stadtscheibe auch für dieses Kloster bestimmt.
Die Scheibe wird genannt in:
Rahn, 1883, S. 49, Nr. 35.
Büchi, 1890, S. 33.
Lehmann, 1911, Nr. 177, Anm. 1.
Rott, 1926, S. 87.
Gutscher, 1977, Titelbild-Rückseite.
Kuhn, 1988, Abb. S. 242.
Raimann/Erni, 2001, 328f., 419, Farbabb. 334 (Wolfgang Spengler).
Spuhler, 2012, 839f., Farbabb.
Raimann, 2013, S. 32, Abb. 22.