Research
Die besten Vergleichsbeispiele zu den zwei Rundscheiben mit dem Sonnen- und dem Mondgesicht finden sich in bernischen Kirchen. Damit gemeint sind einerseits das Sonnengesicht über dem guten Schächer in dem 1441 aus Ulm ins Berner Münster gelieferten Passionsfenster (Kurmann-Schwarz 1998, S. 152, 168f., Abb. 8, 29) und andererseits dasjenige aus der Zeit um 1522 in der Kirche Zweisimmen, wo es wie im Münster einst zu einer Kreuzigungsgruppe gehört hat (BE_2337). An beiden genannten Orten ist das Pendant zur Sonne, der Mond, nicht mehr erhalten. Aufgrund der nahen Verwandtschaft der dort aus spätgotischer Zeit erhaltenen Sonnenbilder zu demjenigen aus der Hünegg ist davon auszugehen, dass die betreffenden Mondbilder auch eine ähnliche Gestalt wie das vorliegende gehabt haben werden. Ungeachtet der Analogien zu den spätgotischen Werken in Bern und Zweisimmen bieten das aus der Hünegg stammende Sonnenbild und sein Pendant bezüglich ihrer Datierung Probleme. Die Auktionskataloge von 1884 und 1903 lassen ihre zeitliche Ansetzung offen und Johann Karl Bossard bezeichnet die beiden 1884 zum geringen Preis von 16 Mark unter den Hammer gekommenen Stücke kommentarlos als "neu". Obwohl seine zu den damals versteigerten Glasgemälden gemachten Beurteilungen nicht immer über alle Zweifel erhaben sind, halten wir sie im vorliegenden Fall für vertretbar. Zu verweisen ist insbesondere auf das Mondgesicht, das in seinem kühlen, starren Ausdruck an den Stil der Glasmalereien aus dem Historismus erinnert. Wir folgen hier deshalb Bossard, auch wenn eine wirklich gesicherte Datierung erst möglich wäre, wenn die beiden verschollenen Stücke wieder zum Vorschein kommen und einer genauen Untersuchung unterzogen werden könnten.
Wenn das Sonnen- und Mondbild neuzeitliche Arbeiten darstellen, dann sind es entweder Kopien nach spätgotischen Originalen wie denjenigen in Bern und Zweisimmen oder Ergänzungen, die als Ersatz für alte zerstörte Stücke in ein heute nicht mehr vorhandenes Bildfenster einer Kirche eingesetzt waren. Als Werke des Historismus können sie kaum viel früher als 1850 entstanden sein. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Adelheid von Bonstetten sie nicht aus dem Scheibenbestand der von ihr mit ihrem ersten Gemahl seit 1835 bewohnten Chartreuse besessen hat. Vielmehr dürfte sie und ihr zweiter Gatte Albert von Parpart die Stücke für ihre Sammlung erst erworben haben, nachdem sie 1863 von der Chartreuse in ihr neu erbautes Schloss Hünegg umgezogen waren. Nach dem Tode Adeles wurden die beiden Fragmente durch Franz von Parpart, dem Neffen Alberts und dem Erben der Hünegg, 1884 nach Köln an die Auktion bei J. M. Heberle überführt. Dort wurden sie laut Johann Karl Bossard zusammen für 16 Mark von Karl Ferdinand Thewalt (1833–1902) ersteigert. In Köln ansässig und als Kommunalpolitiker tätig, baute sich dieser eine grosse Kunstsammlung auf, die nach seinem Tod 1903 im Kunsthaus Lempertz für über eine Million Goldmark unter den Hammer kam. Wohin damals die zwei lediglich durch den Lempertz-Katalog von 1903 bildlich dokumentierten Fragmente gelangten, weiss man nicht.
Die Scheiben werden genannt in:
Heberle, 1884, S. 39, Nrn. 534, 535.
Bossard, 1884, Nrn. 534, 535.
Kunsthaus Lempertz, 1903, S. 38, Nr. 578, Abb.
Hasler, 2023, S. 52–54, Nrn. 56, 57.
Dating
um 1850
Period
1840 – 1860
Previous Owner
Nach 1863–1884 Albert von Parpart und Adele von Bonstetten, Schloss Hünegg, Hilterfingen · 1884 Franz von Parpart bzw. Auktionshaus Heberle, Köln · 1884–1903 Karl Thewalt, Köln · 1903 Auktion Kunsthaus Lempertz, Köln