Die aus St. Gallen stammende Familie Scherrer (Scherer) erhielt mit Diethelm (1596–1648), der eine katholische Linie begründete, den Adelstitel von Scherburg. Heinrich (1567–1618) war der Gründer des bedeutenden St. Galler Handelshauses mit Zweigstellen im Piemont und Lyon. 1713 erhielt auch dieser Zweig einen Reichsadelsbrief (Historisches Lexikon der Schweiz, 11/2012, S. 43). Der letzte männliche Vertreter der Familie starb 1901.
Das in der Inschrift genannte Kastell bezieht sich auf Schloss Castell bei Tägerwilen. 1794 war dieses früher in Besitz der Familie Zollikofer von Altenklingen (1661–1784) befindliche Schloss in Besitz der Familie von Scherer gelangt (Abegg/Erni/Raimann, 2014, S. 342). Von 1794 bis 1823 waren Daniel Hermann von Scherer (1741–1820) sowie seine Schwester Barbara Dorothea die Besitzer. Daniel Hermann wohnte mit seiner Ehefrau Henriette d’Hogguer auf dem Schloss und kaufte die Güter, die noch unter dem Besitz der Zollikofer dazu gehört hatten, soweit möglich wieder an. Über Daniel Hermanns Tochter Albertine von Scherer (1786–1866) gelangte das Castell in Besitz von Johann Philipp Adrian von Scherer von Grandclos (1783–1835). Der Sohn des Ehepaars Iwan Heinrich Max von Scherer (1815–1848) verwandte bedeutende Mittel für die Verschönerung des Schlossgebäudes. Nach seinem Tod lebte seine Witwe Marie Anna von Kanitz (1817–1889) mit dem gemeinsamen Sohn Maximilian Scherer auf dem Schloss. Maximilian (1848–1901) liess das Schloss nach 1889 ausbauen (vgl. Tobler-Meyer, 1902, S. 22–24; Abegg/Erni/Raimann, 2014, S. 342).
Als Stifter des vorliegenden Glasgemäldes mit der Inschrift “Herrn Scherer von Scherburg zu Kastell” kommen demnach Daniel Herrmann, Johann Philipp Adrian, Iwan Heinrich Max oder Maximilian in Frage. Auch ein Datum post quem – 1794 – liegt somit vor. Auch die neugotischen Ornamente in der Inschriftkartusche weisen in das 19. Jahrhundert. Da Schloss Castell und Schloss Altenklingen benachbart waren und sich Schloss Castell lange in Besitz der Familie Zollikofer befunden hatte, ist anzunehmen, dass das Glasgemälde ursprünglich nach Altenklingen gestiftet worden war (und nicht erst als Sammlungsobjekt dorthin gelangte). Dabei ist als Bestimmungsort vor allem an die Schlosskapelle St. Wiborada zu denken, wo sich die vorliegende Scheibe noch 1966 befand (Zollikofer/Fiechter-Zollikofer/Zollikofer, 1966, S. 69, Nr. 4.) Diese erhielt, wie Traugott Zollikofer 1871 (S. 40) berichtet, damals (“neuestens”) einen “Schmuck von Glasmalereien”. Dies geschah in Zusammenhang mit der Einrichtung des Familienmuseums in Schloss Altenklingen im Jahr 1864. Zu den von Zollikofer genannten Glasmalereien gehörte sicherlich auch mindestens eine ältere Wappenscheibe (vgl. TG_172). Dass aber ausserdem benachbarte und befreundete Familien zu diesem Anlass neu gefertigte Scheiben stifteten, ist naheliegend. Das Glasgemälde der von Scherer muss zu einer Serie gehört haben, denn das rechts unten eingesetzte Flickstück stammt, nach Stil und Technik zu beurteilen, aus einer zugehörigen Scheibe.
Das Glasgemälde ist ungewöhnlich, da in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Wappenscheiben üblicherweise wieder mit viel Farbgläsern (und dementsprechenden Bleinetzen) gefertigt wurden und nicht, wie das vorliegende, als farblose, bemalte Monolithscheibe. Vergleichbar sind in dieser Hinsicht vier Glasgemälde, die um 1860 in die Seeburg Kreuzlingen gestiftet worden waren (Sammlung Rutishauser, Inv. Nr. 17317-17320; vgl. Erni/Raimann, 2009, S. 318). Die im Wehrgang angebrachten Glasgemälde zeigen vier auf farblose Monolithscheiben gemalte Ansichten, jeweils gerahmt von unterschiedlichen, alten Flickstücken.
Welche Glasmaler diese Werke schufen, lässt sich bei heutigem Kenntnisstand nicht beantworten.
Die Scheibe wird genannt in:
Zollikofer/Fiechter-Zollikofer, 1925, S. 47.
Zollikofer/Fiechter-Zollikofer/Zollikofer, 1966, S. 69, Nr. 4.
Kesselring-Zollikofer/Zollikofer, 2010, S. 119.