Nom

Verrerie de Saint-Prex

Variantes du nom
Vetropack Holding SA
Dates d'activité
1911–
Auteur·e et date de la notice
Erwin Baumgartner 2017 (deutscher Text) ; Astrid Kaiser (französischer Text)
Lieux avec objets
Informations sur l'atelier

Die westlich von Lausanne am Genfersee gelegene Glashütte von Saint-Prex wurde 1911 vom waadtländer Industriellen Henri Cornaz gegründet. Die Produktion war zuerst auf Flaschen ausgerichtet, später wurde sie auf Behältnisse für andere Getränke und auf die Bedürfnisse verschiedenster Industrie- und Gewerbezweige ausgeweitet, darüber hinaus auch auf Gegenstände für den täglichen Gebrauch im Haushalt. Bis heute wird in Saint-Prex weiter Glas produziert, allerdings aktuell wiederum vor allem in Form von Flaschen, ungefähr eine Million pro Tag. Für eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Glashütte Saint-Prex – ohne Behandlung der ‹ verrerie artistique › – siehe Lüönd (2011a; 2011b).
Neben den erwähnten Produkten wurden in der Glashütte von Saint-Prex über Jahrzehnte auch Gläser hergestellt, die einer anderen Gattung – der sogenannten ‹ verrerie artistique › – zugeschrieben werden. Deren Geschichte ist bisher nur im Ansatz aufgearbeitet worden. Weder gibt es eine einigermassen komplette Erfassung der wichtigsten überlieferten Bestände, noch eine systematische Untersuchung der Archivalien. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen neben persönlichen Beobachtungen vor allem auf Schriften, die im Zusammenhang mit Firmenjubiläen oder als Begleittexte für Ausstellungen entstanden sind. Sie sollen in der hier gebotenen Kürze einen Überblick über die ‹ verrerie artistique › geben und auf einige der offenen Fragen zu deren Geschichte hinweisen.

Generell wird in der Literatur für die ‹ verrerie artistique › ein Zeitrahmen von 1928 bis 1964 angegeben (Dreyfus, 1981, S. 4; Anthonioz & Quintero Pérez, 2014, S. 1, 5, 11). Das Ende der entsprechenden Produktion im Jahre 1964 scheint klar fassbar und auf die fortschreitende Automatisierung zurückzuführen zu sein (Dreyfus, 1981, S. 18). Ab wann jedoch von ‹ verrerie artistique › gesprochen werden kann, ist schwieriger zu definieren, siehe die nachfolgenden Ausführungen.

1928 wurde in der Glashütte Saint-Prex entschieden, neben der bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden, bereits teilweise automatisierten Produktion von reinem Gebrauchsglas einen neuen Tätigkeitszweig aufzubauen, der einerseits weitgehend auf rein handwerklicher Herstellung beruhen und anderseits über das reine Gebrauchsglas hinausgehen sollte. Ein wichtiger Grund für diese Diversifizierung war die Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten während der schwierigen wirtschaftlichen Situation nach dem ersten Weltkrieg und der Probleme im Vorfeld der Wirtschaftskrise von 1929. Weiter mag auch die bereits angesprochene teilweise Automatisierung, die bei den angestellten Glasbläsern Kapazitäten freisetzte, eine Rolle gespielt haben. In einer kleinen Festschrift mit dem Titel « Verrerie de St-Prex 1911-1931 » wird lakonisch festgehalten: « Dès 1928 on a commencé la fabrication de verre blanc et d’objets décorés » (Verrerie de Saint-Prex, 1931, S. 4). « Verre blanc » bezeichnet hier nicht weisses, sondern farblos transparentes Glas; was mit « objets décorés » gemeint ist, wird nicht weiter ausgeführt. Aufschlussreich ist jedoch eine Illustration im hinteren Teil des Katalogs. Diese zeigt einen grossen Stand in einer Ausstellung, und die Legende lautet: « Echantillons présentés au Comptoir de Lausanne, en 1930 ». Neben Gebrauchsgläsern – die bloss etwa einen Viertel des Standes belegen – wird eine grosse Anzahl von Objekten gezeigt, die durchaus zu den « objets décorés » gehören könnten und die wohl in die Kategorie fallen, die später von Saint-Prex selbst als ‹ verrerie artistique › bezeichnet wurde (siehe die nachfolgenden Auszüge aus der Festschrift von 1941 (Chable, 1941)). Die mässige Qualität der Abbildung in der Festschrift erlaubt leider kaum Vergleiche mit erhaltenen oder anderweitig publizierten Stücken (bisher ist es noch nicht gelungen, die Vorlage für den Druck aufzufinden).

In einer weiteren Festschrift mit dem Titel „Verreries de St-Prex 1911-1941“ von Chable (1941) wird etwas ausführlicher auf die Erzeugnisse eingegangen, die über reines Gebrauchsglases hinausgehen. Im Kapitel « La verrerie artistique » findet sich folgender Text: « Peu de matières comme le verre et le cristal se prêtent à la fabrication d’objets d’art. Les Verreries de Saint-Prex ont voulu aussi, dans le domaine de l’art et de la décoration, et malgré les sacrifices que cela comporte, réaliser des œuvres de style et de bon goût » (Chable, 1941, S. 27). Im Kapitel « Décoration » wird darauf hingewiesen, dass es neben mechanischen Herstellungsprozessen auch Arbeiten gebe, « qui ne peuvent se faire convenablement qu’à la main. C’est le cas, en particulier, pour la décoration de la verrerie artistique, vases, verres, etc. D’une main légère, les femmes chargées de ce travail délicat, apposent sur le verre des couleurs à base d’émaux qui resteront toujours aussi vives et aussi fraîches » (Chable, 1941, S. 30). Es wird auch erwähnt, gewisse Stücke würden « émaillés au pistolet » (Chable, 1941, S. 31), Email würde also mit Hilfe einer Druckluft-Spritzpistole auf Gefässe aufgebracht. Weiter wird darauf hingewiesen, dass « La hardiesse de la conception dans la création des objets ne le cède en rien à la perfection de l’exécution. Le verre et le cristal, auxquels l’humanité doit d’innombrables chef-d’œuvre, se prêtent magnifiquement à des interprétations artistiques » (Chable, 1941, S. 32). In der Festschrift von 1941 wird der Begriff ‹ verrerie artistique › erstmals verwendet, leider werden aber nur zwei Beispiele gezeigt, ein Liqueur-Service und ein erst 1939 in die Produktion aufgenommener Objekttypus (Chable, 1941, S. 32).

Reich mit Illustrationen versehen ist hingegen eine Broschüre der Glashütte mit dem Titel Verreries de St-Prex : une nouvelle branche d’activité (1935); erklärende Texte enthält die Publikation leider nicht. Vorgestellt wird eine grosse Zahl von Produkten, die sich mehrheitlich vom reinen Gebrauchsglas abheben, die also wohl meist zur Gattung gehören, die Saint-Prex selbst der ‹ verrerie artistique › zuordnete. Diese Broschüre ist der frühste gedruckte Beleg für die breit angelegte Kommerzialisierung dieser Objekte.

Zum 50jährigen Bestehen der Glashütte erschien 1961 eine weitere Festschrift (Verrerie de Saint-Prex, 1961). Im Rückblick wird darin berichtet: « L’atelier de décor à caractère artisanal commença son activité dix ans avant la guerre; il intensifia l’utilisation d’émaux sur verre et, grâce à la précieuse collaboration d’artistes réputés, ce département créa des modèles de vases à fleurs en verre qui connurent un grand succès ». Weiter findet sich die Abbildung einer Vase mit der Legende: « Une des formes de vases à fleurs auxquelles ont collaboré des artistes tels que Bonifas et Giauque ».

In den eigenen Publikationen der Glashütte Saint-Prex wird also einerseits von « verrerie artistique » oder von « collaboration d’artistes » gesprochen, anderseits – bescheidener – von « objets décorés » oder von einem « atelier de décor de caractère artisanal ». Wichtig für die eigene Einschätzung der Ansprüche der Glashütte ist aber auch die Nennung der beiden Künstler Bonifas und Giauque, die für Entwurfsarbeiten zugezogen wurden.

Paul Ami Bonifas (1893-1967) war ein bekannter Keramiker, der aber bereits in seiner Jugend mit Glas experimentiert haben soll (Musée Ariana, 1997, S. 46). Über seine Tätigkeit für die Glashütte Saint-Prex wird am ausführlichsten im Katalog einer Ausstellung über Keramiken Bonifas’ berichtet (Musée Ariana, 1997, S. 46, S. 61, Fussnoten 181, 182). Er hat den Auftrag erhalten, für die ‹ Exposition nationale d’art appliqué ›, an der die Glashütte Saint-Prex teilnehmen wollte, Gefässe zu entwerfen. Im Katalog dieser Ausstellung, die vom 30. August bis zum 11. Oktober 1931 dauerte, sind unter dem Titel « S.A. des Verreries de Saint-Prex. Collaborateur: P. Bonifas » 61 Positionen mit verschiedensten Glasgefässen aufgeführt (Commission fédérale des arts appliqués, 1931, S. 75-77). Wann genau die Zusammenarbeit mit Bonifas begonnen hat, lässt sich bisher nicht feststellen. Abbildungen der ausgestellten Gläser scheint es nicht zu geben. Ob Bonifas für die Abbildungen in seinem Artikel « Verrerie » (Bonifas, 1933) auf Stücke aus der Ausstellung zurückgegriffen hat, bleibt ebenfalls ungewiss. In der Abbildungslegende erwähnt er: « Les illustrations accompagnant cette étude reproduisent des vases exécutées aux Verreries de St. Prex. ... Dessins des formes et directives esthétiques fournies par des artistes » (Bonifas, 1933, S. 18). Welche der gezeigten Stücke letztlich auf ihn zurückzuführen sind, blieb also unerwähnt. Die wenigen Zuschreibungen an Bonifas in der Literatur (Musée Ariana, 1997, S. 145, Nrn. 85-87) beruhen vor allem auf Vergleichen mit seinen Keramik-Objekten. Ob unter dem Stichwort « des artistes » auch Fernand Giauque (siehe unten) subsumiert ist, bleibt offen. Unklar ist auch, für wie viele der im Katalog von 1935 gezeigten, damals bereits kommerzialisierten Stücke Bonifas letztlich verantwortlich zeichnet.

Im Gegensatz zu Bonifas wurde auf Giauque bisher im Zusammenhang mit Saint-Prex nicht näher eingegangen. Dreyfus zeigte zwar eine Abbildung zweier gläserner Vasen, die er Giauque zuschrieb (Dreyfus, 1981, S. 11); die Bildlegende lautet « création de l’artiste Giauque avril 1937 ». Offenbar ging aber seither das Wissen darüber verloren, um wen es sich bei Giauque genau handelt; auch im Musée du Verrier in Saint-Prex waren dazu keine Informationen vorhanden. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Text angestellte Nachforschungen haben jetzt ergeben, dass mit « artiste Giauque » Fernand Giauque (1895-1973) gemeint war, der sich vor allem als Maler einen Namen gemacht hat. Im Historischen Lexikon der Schweiz findet sich in seiner Biographie aber auch der kurze Hinweis « 1929 Herstellung von dekorativem Glas und Keramikvasen » (Battacharya, 2005). Weiter ergaben Nachforschungen, dass Giauque wie Bonifas in der ‹ Exposition nationale d’art appliqué › von 1931 mit Glasobjekten vertreten war. Er hatte dort vier Vasen aus « verre bouteille » ausgestellt (Commission fédérale des arts appliqués, 1931, S. 21). Mit « verre bouteille » war wohl grünes Glas gemeint, was ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Vasen mit der üblicherweise in Saint-Prex für Massenprodukte verwendeten Glasmasse hergestellt wurden. Im Katalog fehlt aber bei Giauques Objekten der Hinweis, dass sie in Saint-Prex hergestellt wurden. Eine Nachfrage von Anfang September 2017 bei seiner Tochter Pia Flurin-Giauque ergab jedoch die Bestätigung, dass Fernand Giauque tatsächlich mit Saint-Prex zusammengearbeitet hat.

Für die Interpretation der ‹ verrerie artistique › der Glashütte Saint-Prex sind neben den bisher erwähnten Schriften vor allem zwei Arbeiten wichtig, die 1981 und 2015/2017 publiziert wurden. In diesen wurde ausführlicher mit Texten und Illustrationen auf das Thema eingegangen. 1981 erschien zum 70. Geburtstag der Glashütte Saint-Prex (1911-1981) eine Broschüre mit dem Titel « La verrerie artistique à la verrerie de St-Prex. Une symphonie de formes et de couleurs. 1928-1964 » (Dreyfus, 1981). 2015 entstanden für die Ausstellung « Le verre artistique de Saint-Prex (1928-1964) » im Musée Ariana in Genf Saaltexte (Anthonioz & Quintero Pérez, 2014), die 2017 leicht ergänzt publiziert werden, allerdings mit weniger Abbildungen (Anthonioz & Quintero Pérez, in Druck). Anthonioz und Quintero Pérez beziehen sich dabei – was die generelle Entwicklung der ‹ verrerie artistique › betrifft – vor allem auf die entsprechenden Passagen bei Dreyfus. René Dreyfus arbeitete vor 1982 in der Glashütte Saint-Prex im Verkauf, wurde dann der erste Leiter des in diesem Jahr gegründeten Musée du Verrier und war dort bis zu seinem Tod im Jahre 1986 tätig.
Da aus den eigenen frühen Publikationen der Glashütte Saint-Prex (Verreries de Saint-Prex, 1931; Verreries de St-Prex : une nouvelle branche d’activité, 1935; Chable, 1941; Verreries de Saint-Prex, 1961) kein klares Bild über Entwicklung der ‹ verrerie artistique › abzuleiten ist, sind dazu vorläufig vor allem die Angaben in der 1981 erschienene Festschrift von René Dreyfus massgeblich. Dreyfus erwähnt mehrere Phasen. Die Überschriften der jeweiligen Kapitel lauten:

  • « Les productions de la première période »
  • « La première évolution artistique »
  • « Les productions de la deuxième période »
  • « La troisième période. Le plein épanouissement des formes, lignes et colorations ».

In einer ersten Phase scheinen gemäss Dreyfus (1981, S. 4) vorwiegend Vasen aus farblosem Glas hergestellt worden zu sein, wobei das Glas sandgestrahlt und anschliessend mit Hilfe von Schablonen und Druckluft-Spritzpistolen oder teilweise auch von Hand mit Farben dekoriert wurde, die nicht nachträglich eingebrannt wurden und somit relativ schlecht haltbar waren. Dreyfus (1981, S. 5) verweist auch auf Lampen, die nach dem gleichen System hergestellt wurden. Beides liesse sich mit der oben zitierten Erwähnung in der Festschrift von 1931 (Verreries de Saint-Prex, 1931) vereinbaren: « Dès 1928 on a commencé la fabrication de verre blanc et d’objets décorés » (Verreries de Saint-Prex, 1931, S. 4). Es ist durchaus vorstellbar, dass auch bisher vorwiegend mit der Herstellung von Flaschen beschäftigte Glasbläser einfache Gefässe für diesen Zweck herstellen konnten, und dass die Dekorateurinnen des Hauses die verschiedenen farbigen Motive aufbrachten. Mehrere Beispiele so verzierter Stücke sind auch noch im Katalog von 1935 abgebildet (Verreries de St-Prex : une nouvelle branche d’activité, 1935, S. 19). Interessant ist, dass Dreyfus für die « première période » keine Anspielungen auf einen künstlerischen Anspruch macht, sondern dass er ihr gegenüber im Gegenteil eher kritisch Stellung bezieht (Dreyfus, 1981, S. 4).

Der Text zum Kapitel « La première évolution artistique » ist so kurz, dass man ihn hier vollumfänglich zitieren kann: « Les années 1929-30 virent aussi la fabrication des vases irisés de diverses teintes et bordés d’un filet or, d’autres avec émaux incorporés imitant des fabrications étrangères du début du siècle. De telles pièces sont très rares aujourd’hui, leurs chiffres de fabrication ayant été assez limités » (Dreyfus, 1981, S. 6). Eine Illustration zeigt zwei Vasen, von denen die eine viele Gemeinsamkeiten mit einem im Vitromusée Romont vorhandenen Beispiel (VO_75) aufweist. Es scheint momentan noch nicht möglich, das in den Jahren 1929-30 hergestellte Sortiment zu umreissen; gewisse Vermutungen sind möglich, jedoch wird erst eine genauere Erfassung des überlieferten Materials mehr Klarheit schaffen. Festzustellen ist aber, dass hier Schritte gemacht wurden, die für Saint-Prex Neuland bedeuteten und die weit über die « productions de la première période » hinaus gingen. Hinweise darauf, wer für die neuen Entwürfe und deren Ausführung verantwortlich war, gibt Dreyfus nicht.

Etwas reicher illustriert Dreyfus das Kapitel « Les productions de la deuxième période » (Dreyfus, 1981, S. 8-11). Er datiert sie in die Jahre ab 1930, erwähnt in diesem Zusammenhang « une certaine recherche artistique » und schreibt: « La ligne des vases s’inscrit d’un pur classicisme qui, aujourd’hui quelque 50 ans plus tard conserve encore toute sa valeur » (Dreyfus, 1981, S. 8). Er zeigt Stücke, deren Oberflächen emailliert (Dreyfus, 1981, S. 8-9), andere, die mit antikisierenden, durch Säure-Gravur hergestellten Motiven verziert sind (Dreyfus, 1981, S. 10), aber auch solche, die wohl nie in das Produktionsprogramm aufgenommen oder bloss in Kleinstserien hergestellt wurden (Dreyfus, 1981, S. 11). Dreyfus macht in diesem Kapitel auch auf beteiligte Personen aufmerksam: « Il est même fait appel aux artistes Bonifas et Giauque pour bénéficier de leurs connaissances dans la création de formes nouvelles » (Dreyfus, 1981, S. 11). Diese beiden wurden bereits in der Festschrift von 1961 zum 50jährigen Bestehen der Glashütte Saint-Prex erwähnt (siehe oben). Paul Ami Bonifas spielte sicherlich bei der erwähnten « recherche artistique » eine wesentliche Rolle – was auch durch die Erwähnung im Katalog der ‹ Exposition nationale d’art appliqué › und der dort erwähnten 61 ausgestellten Objekte bestätigt wird –, unklarer ist die Rolle von Fernand Giauque. Für den Hinweis auf Einflüsse von Bonifas können auch Vergleiche mit seinen Keramik-Objekten herangezogen werden, während ähnliche Vergleichsmöglichkeiten für den Maler Fernand Giauque fehlen. Unklar ist auch, ob weitere auswärtige Entwerfer an der stattfindenden Entwicklung beteiligt waren und ob – und allenfalls wie – werkinterne Fachkräfte mitwirkten. Leider hilft im Hinblick auf die erwähnten offenen Fragen auch Bonifas’ Artikel (1933) nicht weiter.

Die « troisième période » datiert Dreyfus von 1935 bis 1964, dem Jahr, in dem die « fabrication artisanale » aufgegeben wurde (Dreyfus, 1981, S. 12). Für die Beschreibung der Produkte verwendet er den Begriff « les vases »; diese machen effektiv den grössten Teil der im Katalog von 1935 (siehe oben) vorgestellten Stücke aus. Dreyfus erwähnt, dass sie entweder aus grünem, nicht weiter dekoriertem Glas bestehen können, oder dass sie schwarz, rot-schwarz oder blau-schwarz emailliert oder zusätzlich versilbert oder vergoldet worden seien. Weiter schreibt er: « Dès cette période, la collection est nettement définie » (Dreyfus, 1981, S. 12). Anschliessend zeigt Dreyfus (1981, S. 13-15) dann auf drei Tafeln insgesamt 34 Beispiele in Form von Schwarz-weiss-Abbildungen; die Legende lautet jeweils « Aperçu de l’important assortiment fabriqué de 1931 à 1964 ». Man möchte natürlich gerne wissen, wie die sehr präzise Angabe « 1931 » zustande kam und welche der dargestellten Stücke dieser Zeit zuzuschreiben sind; hinderlich ist dabei, dass es bisher nicht gelang, den Ursprung der von Dreyfus für die drei Tafeln verwendeten Vorlagen nachzuweisen. Spezifisch mit « 1931 » lässt sich bisher nur die oben erwähnte, in Genf in diesem Jahr durchgeführte ‹ Exposition nationale d’art appliqué › in Verbindung bringen. Leider scheinen aber die dort von der Verrerie de Saint-Prex ausgestellten Stücke ausser durch marginale Beschreibungen im Ausstellungskatalog nicht dokumentiert zu sein.

René Dreyfus fügt seinen Ausführungen zur Entwicklung der Glashütte Saint-Prex noch ein Kapitel über « Des essais de nouvelles créations » an (Dreyfus, 1981, S. 17f.). Er erwähnt, dass ab 1938 neu mit Kristallglas und schwarzem Glas gearbeitet worden sei, und dass für die Bearbeitung des Kristallglases auch ein ausländischer Glasschneider zugezogen worden sei (S. 17, Abb. S. 29). Weiter verweist er darauf, dass Gläser auch speziell für die Landesausstellung von 1939 hergestellt worden seien, ebenfalls auf die Tatsache, dass neu auch Pressglas hergestellt wurde (S. 18).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der Verrerie de Saint-Prex von ungefähr 1928/29 bis und mit 1964 ein Produktionszweig betrieben wurde, der vielfach mit ‹ verrerie artistique › bezeichnet wurde; im gleichen Zusammenhang wird bescheidener auch vom ‹ atelier de décor de caractère artisanal › und von « œuvres de style et de bon goût » gesprochen (Chable, 1941, S. 27). In der frühen Phase der Entwicklung waren Künstler an den Entwürfen beteiligt. Vorerst entstanden Objekte, die nur in kleinen Serien hergestellt wurden. Das Ziel der Glashütte war, längerfristig ein Sortiment bereitzustellen, das der ‹ guten Form › verpflichtet war, das sich aber auch kommerzialisieren liess. Dieses Ziel war 1935, vielleicht bereits wenige Jahre früher erreicht. Der Erfolg ist sicherlich auf das Zusammenspiel zwischen dem Hersteller und Entwerfern zurückzuführen. Paul Ami Bonifas hat 1933 in einer generellen Aussage zur Glasindustrie auf diesen Zusammenhang hingewiesen, darauf, dass sich der Erfolg für Glashütten einstelle « dans la mesure où elles ont fait appel aux personnalités aptes à leur créer leurs modèles, leurs types et, partant, leur style et leur renommée » (Bonifas, 1933, S. 18). Das ist im Falle der Verrerie de Saint-Prex bestens gelungen, wurden doch die in der Zeit von 1930 bis 1935 entstandenen Modelle lange unverändert produziert und geschätzt und seit der Aufgabe der Produktion im Jahre 1964 zu gesuchten Sammlerobjekten.

Zum Schluss hier ein Dank an einige, die mich bei meinen Nachforschungen unterstützt haben: Stanislas Anthonioz (Musée Ariana, Genf), Alfred Gentet (ehemaliger Konservator des ‹ Musée du Verrier ›, Saint-Prex), Vincent Lieber (Musée historique et des porcelaines, Nyon), Louis Nussbaumer (expert en la matière, Neuchâtel).

– TEXTE EN FRANÇAIS –
La Verrerie de Saint-Prex (VD) a été fondée en 1911 par l’entrepreneur Henri Cornaz, à proximité d’un gisement de sable de grande qualité. Des ouvriers expérimentés de la manufacture de verre de Semsales (FR), rachetée par Cornaz en 1912, apportent leur savoir-faire sur le site vaudois. L’assortiment de verres utilitaires, proposant dans un premier temps uniquement des bouteilles à vin, se diversifie rapidement et trouve sa place dans
les foyers de toute la Suisse : bouteilles à bière ou à liqueur, flacons les plus divers pour les industries pharmaceutiques, cosmétiques, chimiques ou agroalimentaires, bocaux à conserves, biberons, poivriers et autres articles de table.
Parallèlement à cette production industrielle, la verrerie ouvre en 1928 une section artistique, qui propose jusqu’en 1964 une gamme de verres aux frontières de l’art et de l’artisanat. Jouissant de l’expérience de verriers étrangers spécialisés, l’atelier artistique produit durant 36 ans des séries plus ou moins impor-tantes, déclinant souvent un même modèle en différentes tailles et avec diverses finitions techniques.
Dès les débuts, l’atelier utilise l’aérographe (pistolet à jet d’air comprimé) pour colorer les verres transparents soufflés. Dans les premières années, les couleurs peintes sur du verre dépoli par sablage ne sont pas cuites et dessinent des motifs colorés très variés.
Dès 1930, les récipients prennent parfois l’aspect de céramique : leurs surfaces sont émaillées, puis cuites. Certaines pièces font clairement référence aux vases en terres lustrées noires du céramiste suisse Paul Bonifas, avec lequel la verrerie collabore en 1931 pour créer de nouveaux modèles.
En 1935 débute la production artistique sans doute la plus embléma-tique de la Verrerie de Saint-Prex : des récipients, surtout des vases, ornés d’une couche de dorure ou d’argenture craquelée. La surface est souvent émaillée en bleu, puis recouverte d’une couche d’or ou d’argent. Lors de la cuisson, des craquelures aléatoires surviennent en raison des différents points de fusion.
Parallèlement aux vases qui font sa réputation, l’atelier artistique produit également de la verrerie de table (verres à boire, carafes, cruches, pichets, etc.), conjugués avec diverses finitions techniques, dont le givrage. Les articles jaunes sont fabriqués avec de l’ouraline, verre teinté à l’uranium. Leur attribution à la Verrerie de Saint-Prex doit encore être confirmée par des recherches.
La Verrerie de Saint-Prex (Vetropack depuis 1966) est aujourd’hui la seule verrerie industrielle encore en exploitation en Suisse.

Bibliographie

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Anthonioz, S. et Quintero Pérez, A. (sous presse). Le verre artistique de Saint-Prex (1928-1964). Dans S. Wolf et A. de Pury-Gysel (dir.). Annales du 20e Congrès de l’Association internationale pour l’histoire du verre, Fribourg/Romont 7.-11. September 2015 (p. 631–637). Fribourg/Romont, Suisse : Association Internationale pour l’Histoire du Verre.

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Lüönd, K. (2011a). Le verre, reflet de l'esprit du temps : 100 ans d'histoire de la Verrerie de St-Prex à Vetropack : une entreprise suisse, familiale et dynamique au coeur de l'évolution technique, des marchés et de l'environnement. (H. Apel, trad.). Zurich : Ed. de la Neue Zürcher Zeitung – NZZ Libro. Récupéré du site web de Vetropack à http://vetropack.inettools.ch/upload/dokumente/vetropack_F_low.pdf

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