Die Fragmente stammen von einem der zwei figürlichen Fenster, die 1905/06 auf Wunsch der Stifter durch das Freiburger Atelier Kirsch & Fleckner nach Entwürfen Augustin Müllers für die neue katholische Stadtkirche St. Nikolaus in Frauenfeld geschaffen wurden (Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, I A 26; Protokoll der Kirchenbau-Kommission vom 17.4.1905, sowie Hux, 2004, S. 140). Aufgrund der überwiegend neobarocken Architektur der Kirche wurde eine an den Barock angelehnte Bildsprache gewählt. Die übrigen Fenster des umfangreichen Glasmalerei-Zyklus der Kirche fertigte zeitgleich Friedrich Berbig aus Zürich an (TG_1088, TG_1091–TG_1097, TG_2110–TG_2113, TG_2433–TG_2438). Nach Abschluss der Arbeiten erwähnte der damalige Frauenfelder Pfarrer Lötscher mehrfach die ausgewogene und festliche Lichtstimmung in der neuen Kirche, zu der die Glasmalereien entscheidend beitrugen (siehe Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau, 2014, S. 72 und 77). Auch der in Berbigs Vertrag eingelegte Entwurf für ein Arbeitszeugnis bestätigt, dass der Zürcher Glasmaler die Arbeiten zur vollsten Zufriedenheit der Auftraggeber ausgeführt hatte: “Herr Berbig hat es speziell verstanden, die figürlichen Darstellungen mit denjenigen Farbentönen zu behandeln, welche für das Auge ruhig wirken u. die Beleuchtung der Kirche nicht beeinträchtigen” (Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, III Bh 3, H; Entwurf Zeugnis für F. Berbig in Zürich, um 1906).
Sechzig Jahre später wurde im Zuge einer geplanten Renovation und Restaurierung der Kirche (1967–1969) diese positive Einschätzung revidiert. Der damals zuständige Denkmalpfleger Albert Knoepfli fand keine lobenden Worte für die Glasgemälde: “Wenn sie, wie in der St. Nikolauskirche, so unangenehm farbig herausplatzen und das von ungleich leiseren Licht- und Schatten-Nuancen lebende Spiel der übrigen Formen, hauptsächlich der Stukkaturen, übertönen, dann werden sie als asoziale Glieder der neubarock-jugendstilartigen Formengemeinschaft zum grossen Problem. Natürlich kann man diese ihre ‘asoziale’ Stellung als Merkmal des Ganzen positiv werten. Wenn dann aber noch ihre katastrophale Unterqualität sich dazugesellt, dann kommt man doch zum Schluss, dass sie ausgeglast und durch helle Bienenwaben ersetzt werden sollten. […] Vor allem die figürlichen Teile […] sind schlecht in Zeichnung und Farbe und konzertieren derart im Widerspruch zu Stuck und Architektur, dass ihres Bleibens nicht länger sein darf” (Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, III Bh 4, 10; Gutachten von Albert Knoepfli, Denkmalpfleger, zur Renovation und Restaurierung der St. Nikolauskirche Frauenfeld vom 18.9.1964). Obwohl die Entfernung der historischen Glasmalereien bei einem Teil der Gemeinde auf Ablehnung stiess und sich Nachkommen von Stiftern dagegen aussprachen, wurden die Glasmalereien 1968 ausgeglast und durch eine blanke Wabenverglasung mit Mondscheiben ersetzt (Hux, 2004, S. 160; sowie Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, III Bh 4, 21; Brief von Domdekan Alois Hunkeler, Solothurn, an das Präsidium der Kirchenvorsteherschaft vom 18.2.1966). Die Entfernung führte zur nachträglichen Beschwerde einer Person, die als Kind Beiträge für das Schutzengelfenster (TG_1093) gespendet hatte (Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, III Bh 4, 46; Brief von Oscar Schäfli, Bern, an Pfarrer Henzi, Frauenfeld, vom 23.7.1969).
Der Denkmalpfleger Knoepfli hatte sich 1964 trotz “generationenbedingter Ressentiments” gegenüber dem historistischen Bauwerk und einzelner seiner Dekorationselemente und Ausstattungsstücke dafür ausgesprochen, “den Stil mit all seinen Vorzügen und Schwächen als Ganzes zu bejahen” und das Bauwerk “aus seiner Zeit heraus zu verstehen und es als Kind seiner Zeit anzuerkennen” (Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, III Bh 4, 10; Gutachten von Albert Knoepfli, Denkmalpfleger, zur Renovation und Restaurierung der St. Nikolauskirche Frauenfeld vom 18.9.1964). Dennoch lehnte er es offenbar ab, diese Meinung auch für die Glasmalereien gelten zu lassen. Einer schriftlichen Begründung der für die Renovation der Kirche zuständigen Architekten ist zu entnehmen, dass in der Diskussion um die Glasmalereien auch dahingehend argumentiert wurde, dass der neubarocke Baustil viel Helligkeit und eine entsprechende Lichtführung verlange. Ebenfalls angeführt wurden (wärme)technische Gründe für den Fensterersatz (Katholisches Pfarrarchiv Frauenfeld, III Bh 4, 21; Begründung der Auswechslung der Farbfenster durch Schmidt und Zoellig Architekten, Sirnach, 1.5.1967). Unklar ist, weshalb heute nur noch ein stark fragmentierter Restbestand (ca. 25% des ursprünglichen Bestands) der Glasmalereien erhalten ist. Vorgesehen war nämlich, sie sorgfältig auszuglasen und zu magazinieren, um sie einem “späteren Qualitätsurteil” (Ganz, 1979, S. 17) zu überlassen.