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TG_115: Wappenscheibe Martin Graf von Weissenberg (Weissenburg), Fürstabt Benediktinerkloster Reichenau
(TG_Gachnang_refKirche_TG_115)

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Titel

Wappenscheibe Martin von Weissenburg, Fürstabt Benediktinerkloster Reichenau

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Stillhart, Hans · zugeschr.
Datierung
1495
Masse
51 x 38.2 cm im Licht (ohne untere Ergänzung) 72.2 x 38.2 cm (mit Ergänzung)

Ikonografie

Beschreibung

Das Glasgemälde zeigt das mit der Mitra besetzte, von Krummstab und Schwert (als Zeichen der geistlichen und weltlichen Gewalt) hinterlegte Wappen des Fürstabtes Martin von Weissenburg unter dem gelbrot gestreiften und geschachteten Pavillon oder Basilikaschirm der Reichenau. Es erhebt sich vor blau-schwarzem Damastgrund über grünem Wiesengrund. Gerahmt wird es von zwei entwurzelten Granatapfelbäumen, deren aus dem Astbogen wachsenden Blätter und Früchte die beiden seitlichen Zwickelfelder füllen. Am Bogenscheitel befindet sich eine kleine Banderole mit dem Stiftungsjahr. Das grosse untere Glasfeld mit dem langen Schriftband ist eine neuzeitliche Ergänzung.

Iconclass Code
44A1(+6) · Wappen (als Staatssymbol etc.) (+ Kirche, Kloster; ekklesiastische Gemeinschaft)
46A122(WEISSENBERG) · Wappenschild, heraldisches Symbol (WEISSENBERG)
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Weissenburg (von Krenkingen), Martin Graf von, Fürstabt Kloster Reichenau: Geviert, 1 und 4 in Silber ein rotes Kreuz (Reichenau), 2 und 3 fünfmal halbgespalten von Silber und Blau und von Rot (Weissenburg von Krenkingen), anstelle von Helm und Helmzier: silberne Mitra mit silbernen Infuln, goldenem Pedum und silbernem Schwert mit goldenem Griff.

Inschrift

1·4·9·5
Reparirt von K. Wehrli Glasmaler von Zürich ausser Sihl 1888 (im Wappenfeld 1 eingeritzt)
[markvs de kren kingen Dei gratia abbas monasterii avgie maioris anno domini mccccxciv] (in eckigen Klammern die neue Inschrift)

Signatur

keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Feld 1 (rotes Kreuz auf weiss) im Wappen und der untere Teil mit dem Inschriftenband neu ergänzt; mehrere Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Restaurierungen
1888 Karl Wehrli, Zürich: Erneuerung von Feld 1 im Wappenschild. Wehrlis Restaurierung ist durch dessen Inschrift auf dem von ihm erneuerten Glasstück und durch die Kirchenrechnung von 1888 des Evangelischen Pfarrarchivs Gachnang von 1888 (B.III/44/G,1888) dokumentiert: “dem Karl Wehrli, Glasmaler in Zürich für die Erstellung sämtlicher neuen Fenster in der Kirche und für Restauration der 2 alten Wappenfenster im Chor und für ein Drahtgitter über jenes Fenster 1685 Fr.” (Hermann, 1991a, S. 22). Weil Johann Rudolf Rahn die Scheibe 1899 noch ohne den neuen unteren Teil mit dem Schriftband sah, geht dieser Zusatz hingegen kaum auf Wehrlis Eingriff, sondern auf eine jüngere Restaurierung (Beginn 20. Jahrhundert) zurück.
1972/73 Einsetzen neuer Aussenverglasung (Doppelverglasung (Evangelisches Pfarrarchiv Gachnang, Kirchenrechnung U.XI/15-26/G (1972–1973; vgl. Hermann 1991a, S. 22).

Technik

Farbloses und farbiges Glas; rotes Überfangglas mit vorderseitigem Ausschliff; Bemalung mit Schwarzlot und Silbergelb.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Martin von Weissenburg (um 1470–1508) war Magister, Konventherr und von 1491–1508 Fürstabt des Benediktinerklosters Reichenau. Er stammte aus dem Geschlecht der Freiherren von Krenkingen, die sich später von Weissenburg nannten. In seinem Auftrag verfasste der Kaplan Gallus Oehem die Chronik von Reichenau (Begrich, 1986, S. 1089–90). Zwei Stiftungen des Abtes aus dem Jahr 1504 haben sich in der Sammlung auf Burg Kreuzenstein in Österreich sowie im Schweizerischen Nationalmuseum erhalten (Buchinger/Oberaidacher-Herzig/Wais-Wolf, 2017, S. 145, Abb. 314, 315; Schneider, 1971, Bd. 1, Nr. 72).
Der Reichenauer Abt Martin von Weissenburg machte vorliegende Stiftung im Jahr 1495 in Funktion als Kollator der Kirche Gachnang anlässlich ihrer zwischen 1493 und 1495 erfolgten Erneuerung (Neubau von Chor und Turm). Seine Scheibe befindet sich im Chormittelfenster, einem zweilanzettigen Masswerkfenster mit Rautenverglasung, zur rechten Seite, neben einer Figurenscheibe (TG_116). Dort waren die beiden Scheiben nach einer Skizze des Einsiedler Benediktinermönch R. P. Lukas von der Weid bereits im Jahr 1774 (Stiftsarchiv Einsiedeln, E A I; vgl. auch Brun, 1888, S. 62). Johann Rudolf Rahn sah die Scheibe 1899 noch ohne ihr unteres, die Schriftrolle enthaltendes Glasfeld. Dieses wurde demnach nicht von Karl Wehrli 1888, sondern erst später eingefügt (vgl. Hermann 1991a, S. 22).

Weitere fünf Glasgemälde aus der Erbauungszeit des Chores sind durch eine Beschreibung und die genannten Wappenskizzen des Einsiedler Benediktinermönch R. P. Lukas von der Weid von 1774 belegt. In der ersten Reihe beginnt von der Weid mit der Allianz von Schienen-von Hohenrechberg und der Jahreszahl 1493. Die Allianz bezieht sich auf Hugo von Schienen, Herr zu Gachnang bis 1505, und Agnes von Rechberg (Hofmann-Hess, 1945, S. 63). Als zweite Wappenskizze folgen die heute noch vorhandenen Scheiben mit den Heiligen Mauritius und Augustinus (auch von von der Weid so bezeichnet und als Wappen behandelt) und des Martin von Weissenburg (als Bischof von Konstanz bezeichnet). Anschliessend folgt die Allianz Ludwig Ryff genannt Welter zu Blidegg und Amalia von Weiler, zusammen mit der Jahreszahl 1495. Ludwig Ryff war bis 1529 Herr zu Kefikon (Trösch, 2013). In der zweiten Reihe folgt eine Allianz mit dem Wappen von Gachnang und einem unbekannten Wappen (in Weiss drei rote Hämmer), das Wappen Stör sowie die Allianz von Schienen-von Hohenlandenberg. Letztere bezieht sich auf Sixtus von Schienen, vormaliger Herr zu Gachnang, und Margaretha von Hohenlandenberg, die Eltern des Hugo (Schellberger, 2006, S. 118). Der 1493/95 in die Kirche von Gachnang gestiftete Zyklus der Herren zu Gachnang lässt sich somit grösstenteils rekonstruieren. Vermutlich kamen auch später noch Stiftungen in die Kirche, denn nach der 1695 vom Gachnanger Pfarrer Johann Heinrich Lavater verfassten Beschreibung waren damals in den Chorfenstern der Kirche “etliche alte und neue Wappen” zu sehen (Rahn/Haffter, 1899; Hofmann-Hess, 1945, S. 152f.; Herrmann, 1991, S. 44f.). In den Kirchrechnungen sind ab dem Jahr 1563 zahlreiche Zahlungen an Glaser verzeichnet, diese beziehen sich aber hauptsächlich auf Blankverglasungen und Flickarbeiten (Herrmann, 1991a, S. 20–21). Die fünf verschollenen Glasgemälde aus der Erbauungszeit des Chores wurden 1887 verkauft (Kirchgemeindearchiv Gachnang, U.XI/7–11/G; vgl. Herrmann, 1991a, S. 24).

Die vorliegende Scheibe des Reichenauer Abtes entstand wahrscheinlich in der dem Kloster nahe gelegenen Stadt Konstanz. Dort war in dieser Zeit Hans Stillhart (†1522) tätig. Da von diesem jedoch keine gesicherten Glasmalereien überliefert sind, die einen Vergleich erlauben würden, bleibt die Zuschreibung hypothetisch.

Die Scheibe wird genannt in:
Brun, 1888, S. 62.
Büchi, 1890, S. 29.
Rahn/Haffter, 1899, S. 163.
Hofmann-Hess, 1945, S. 156, Abb. S. 155.
Knoepfli, 1950, S. 194f., Abb. 138.
Raimann, 1981, S. 27, 31.
Bollhalder-Müller, 1990, S. 11.
Herrmann, 1991, S. 44f., Abb. 34.
Herrmann, 1991a, S. 22.
Ducret et al., 1999, S. 211.
Volkart, 2018, S. 304, Abb. 151.

Datierung
1495
StifterIn

Weissenburg, Martin von (um 1470–1508), Abt Kloster Reichenau

Herstellungsort
Eigentümer*in

Evangelische Kirchgemeinde Gachnang

Bibliografie und Quellen

Literatur

Begrich, U. (1986). Reichenau, Benediktiner. In E. Gilomen-Schenkel (Red.). Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz. Helvetia Sacra (HS), Abteilung III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 2 (S. 1059–1100). Bern: Francke Verlag.

Bollhalder-Müller, L. (1990?). 1100 Jahre Gachnang, 889–1989. Gachnang: L. Bollhalder-Müller.

Brun, C. (1888). Kleinere Nachrichten. Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, Jg. XXI, No 2 (April).

Büchi, J. (1890). Über die Glasmalerei überhaupt und über thurgauische Glasgemälde

insbesondere. Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, H 30.

Buchinger, G., Oberaidacher-Herzig, E., Wais-Wolf, C. (2017). Die mittelalterlichen Glasgemälde in Niederösterreich. 3. Teil: Sammlungsbestände (ohne Stiftssammlungen), Burgenland. Wien/Köln/Weimar: Böhlau.

Ducret, M. et al. (Hrsg.)(1999). Schätze des Glaubens. Kostbarkeiten aus dem Besitz der thurgauischen Kirchengemeinden. Frauenfeld: Huber.

Herrmann, Ch. (1991). Das Gachnanger "alte Pfarrhaus" erzählt. Geschichte der Kirchgemeinde Gachnang von ihren Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Festschrift zur Einweihung des neuen Kirchgemeindehauses Gachnang. Gachnang: Evangelische Kirchgemeinde.

Herrmann, Ch. (1991a). Ausführliche Baugeschichte der Kirche Gachnang und der Kapelle Gerlikon (Ergänzungsband zur Gachnanger Kirchengeschichte). Gachnang: Evangelische Kirchgemeinde.

Hofmann-Hess, W. (1945). Geschichte der Herrschaften Gachnang und Kefikon-Islikon im Thurgau, mit spezieller Berücksichtigung der alteingesessenen Familien Hofmann der Gemeinden Islikon und Kefikon mit den Kefikoner Zweiglinien Bettelhausen-Niederwil, Gachnang und Oberwil. Zürich: Komm. Genealogisches Institut J.P. Zwicky.

Knoepfli, A. (1950). Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau. Bd. I. Der Bezirk Frauenfeld. Die Kunstdenkmäler der Schweiz.

Rahn, J.R., Haffter, E. (1899). Die mittelalterlichen Architektur- und Kunstdenkmäler des Cantons Thurgau. Frauenfeld: J. Huber. Abgerufen von https://bildsuche.digitale-sammlungen.de/index.html?c=viewer&bandnummer=bsb00078121&pimage=3&v=150&nav=&l=de

Raimann, A. (1981). Gachnang. Hinweisinventar alter Bauten und Ortsbilder im Kanton Thurgau. Frauenfeld: Denkmalpflege des Kantons Thurgau.

Schellberger, G. (2006). Der Wallfahrtsort Schienen im Spiegel der Geschichte, 750–2000. Kleine Geschichte eines Dorfes, eingebettet in die große Geschichte seines Landes. 2 Bde. Öhningen: Schellberger.

Schneider, J. (1971). Glasgemälde. Katalog der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums Zürich. 2 Bde. Zürich, Stäfa o.J.: Th. Gut & Co.

Trösch, E. (2013). Ryff (TG). Welter von Blidegg. Historisches Lexikon der Schweiz. Abgerufen von https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/022965/2013-09-09/

Volkart, S. (Hrsg.) (2018). Umbruch am Bodensee – Vom Konstanzer Konzil zur Reformation. Der Thurgau im späten Mittelalter, Doppelbd. 3/4. Zürich: NZZ Libro.

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Gachnang_refKirche_TG_115
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont
Aufnahmedatum
2018
Copyright
© Evangelische Kirchgemeinde Gachnang
Eigentümer*in

Evangelische Kirchgemeinde Gachnang

Inventar

Referenznummer
TG_115
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2020; Sarah Keller 2020