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BE_1598: Bildscheibe Johannes Appenzeller und Christoph Zingg mit Allegorie des sich selbst wägenden weisen Mannes
(BE_Bern_BHM_8890)

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Titel

Bildscheibe Johannes Appenzeller und Christoph Zingg mit Allegorie des sich selbst wägenden weisen Mannes

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Kupferschmid, Bendicht · Werkstatt, zugeschr.
Kupferschmid, Heinrich · Werkstatt, zugeschr.
Kupferschmid, Samuel · Werkstatt, zugeschr.
Datierung
1656
Masse
28.5 x 19 cm im Licht

Ikonografie

Beschreibung

Das Hauptbild zeigt einen im Vordergrund einer bewaldeten Flusslandschaft am Boden sitzenden alten, weissbärtigen Mann in blauer Kleidung. Eine voll beladene Waage in seiner Rechten haltend, versinnbildlicht er den sich selbst wägenden weisen Mann. Parallel zum Fluss führt neben ihm und einem umzäunten Gebäude ein Fussweg diagonal nach hinten, wo in der Ferne Hügel und Häuser erscheinen. Als Rahmung dient eine Arkade aus roten Pfeilern und einem violetten Bogen, an dessen Scheitel eine gelbe Rollwerkkartusche mit einem die Darstellung erläuternden Vers angebracht ist. Die Zwickelfelder seitlich der Kartusche sind mit Fruchtvasen besetzt. Die hohe Sockelzone füllen die beiden oval umkränzten Stifterwappen zusammen mit der dazwischen befindlichen, die Stifternamen enthaltenden Rollwerktafel.

Iconclass Code
31B7 · weiser Mann
46A122 · Wappenschild, heraldisches Symbol
46B3311 · Waage (mit Waagschalen)
52A51(+2) · Weisheit; Ripa: Sapienza, Sapienza humana, Sapienza vera (+ allegorische Szene (zwei oder mehr Personifikationen sind in eine Handlung involviert))
Iconclass Stichworte
Heraldik

Wappen Johannes Appenzeller, Christoph Zingg

Inschrift

Johannes / AppenZelle(r) / vnd Chri= / stoffel Zin / :gg. beid Burg / er Zů Burgdorff / Ao 1656.
Sich wigt wol selbst= / ein weiser man. / Hertz, Gmüt, Mund, Hand / soll recht als stan.

Signatur

Keine

Technik / Zustand

Erhaltungszustand und Restaurierungen

Das zersprungene Glas mit der Blumenvase in der Ecke oben links (inklusive violett emailliertes Bogenstück) alt ergänzt; Sprungbleie; die Verbleiung erneuert.

Restaurierungen
1916 Restaurierung Hans Drenckhahn, Thun: Einsetzen eines Sprungbleies (Nachweisakten BHM Bern).

Technik

Farbloses und farbiges Glas; Bemalung mit Schwarzlot, Silbergelb, Eisenrot sowie blauer und violetter Schmelzfarbe; rückseitig die eingeritzte Brandmarke "3".

Entstehungsgeschichte

Forschung

Von den beiden Stiftern wurde Johannes Appenzeller († 1693), der Sohn des aus Ursenbach gebürtigen Heinrich Appenzeller, 1639 in Burgdorf zum Burger angenommen. Von Beruf Balbierer (Barbier, Chirurg) und seit 1650 mit der Burgerstochter Verena Rüthi verheiratet, fand er 1655 in den Gross- und 1680 in den Kleinrat von Burgdorf Aufnahme. Daneben amtete er als Kirchmeier (1662–1667), Unter- (1677–1680) und Oberspitalvogt (1683–1686) sowie Schaffner (1689–1693). Den aus Grosshöchstetten stammenden Schuhmacher Christoffel Zingg nahm Burgdorf 1639 für die hohe Summe von 110 Kronen zum Burger an. 1656 wurde er vom dortigen Rat zum Iseler (Aufseher über Mass und Gewicht) erhoben. Er muss ein Verwandter Adam Zinggs gewesen sein, der im Burgdorfer Ratsmanual von 1645 als in Lotzwil ansässig erwähnt wird. Ein weiterer Angehöriger seiner Familie war Klaus Zingg, der seit Ende 1653 in Gutenburg über lange Jahre als Bader wirkte (Aeschlimann).

Die Scheibe weist enge kompositorische und stilistische Parallelen zum Glasgemälde Heinrich Stählis von 1656 im Museumsdepot des Burgdorfer Kornhauses auf (Inv. 40.52). Diese zwei auch in den Massen übereinstimmenden Werke stammen aus derselben Werkstatt und wurden vermutlich an denselben Ort gestiftet. In Stil und Schriftcharakter ist Stählis Glasgemälde der 1666 in die Kirche Seeberg gestifteten Bildscheibe Wangens mit der Verklärung Christi verwandt, die sich anhand eines Rechnungsbeleges dem Burgdorfer Glasmaler Bendicht Kupferschmid (1633–1673) zuweisen lässt. Man darf deshalb davon ausgehen, dass Stähli ebenso wie Appenzeller und Zingg ihre Stiftungen 1656 in der Burgdorfer Werkstatt Kupferschmids in Auftrag gaben. Dieselbe war offenbar nicht allein im Besitz Bendicht Kupferschmids, sind doch ausser ihm damals als Glasmaler in Burgdorf ebenfalls seine beiden Onkel Heinrich (1623–1689) und Samuel (1627–1688) bezeugt. Von ihnen beiden liegen keine gesicherten Werke vor, und ebenso wenig weiss man, inwieweit die drei Glasmaler Kupferschmid zusammenarbeiteten. Stilistisch dürften sie sich in ihrem Schaffen aber kaum grundlegend unterschieden haben. Es muss deshalb offen bleiben, welcher oder welche der drei betreffenden Glasmaler an der Ausführung der beiden genannten Scheiben beteiligt war(en).
Kompositorische Parallelen bestehen auch zur wesentlich älteren Scheibe Gruner/Manuel im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 8886), die möglicherweise der Berner Werkstatt Matthias Zwirns entstammt.

Weil sich Heinrich Stähli auf seiner Scheibe "Vogt allhier zu Lotzwil" nennt, muss es sich beim Bestimmungsort um ein Gebäude in oder um Lotzwil gehandelt haben. In Frage kommen dabei in erster Linie der 1654 umgebaute, dem Lotzwiler Vogt möglicherweise als Absteigequartier dienende Gutenburghof oder das Bad Gutenburg bei Lotzwil, wo 1656 mit Klaus Zingg ein Verwandter Christoffel Zinggs als Bader und Wirt wirkte.

Als Vorlage zum Mittelbild der Scheibe diente eine Radierung Matthäus Merians des Älteren für die erste Blattfolge der "Novae regionum aliquot amaenissimarum delineationes", erschienen 1622/24 bei Peter Aubry in Strassburg (Wüthrich 1966, I, S. 116, Nr. 469, Abb. 249; Virtuelles Kupferstichkabinett). Sie symbolisiert den "vir bonus", den Ehrenmann, der sein Hab und Gut gegeneinander aufwiegt. Denn der weise Mann hält seine Waage im Gleichgewicht und lässt nicht zu, dass Habsucht, Begierde oder Ungerechtigkeit von seinem Herz Besitz ergreifen.

Datierung
1656
StifterIn

Appenzeller, Johannes († 1693) · Zingg, Christoph

Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in

Seit 1916 Bernisches Historisches Museum

Vorbesitzer*in

Bis 1916 Sammlung Knechtenhofer, Thun.

Inventarnummer
BHM 8890

Bibliografie und Quellen

Literatur

Jahresbericht des Historischen Museums in Bern 1916, Bern 1917, S. 38.

Rolf Hasler, Justitia in neuem Licht. Die Richterin über Arm und Reich in zwei Bildwerken der bernischen Glasmalerei, in: Licht(t)räume. Festschrift zum 65. Geburtstag von Prof. Brigitte Kurmann-Schwarz, Petersberg 2016, S. 88, Abb. 5.

Biografische Angaben zu den Stiftern: beruhen auf den Quellenforschungen Trudi Aeschlimanns im Burgerarchiv Burgdorf.

Vgl.

Lucas Heinrich Wüthrich, Das druckgraphische Werk von Matthäus Merian d. Ae., Band 1 Einzelblätter und Blattfolgen, Basel 1966.

Matthäus Merian der Ältere, Novae regionum aliquot amaenissimarum delineationes, in: Virtuelles Kupferstichkabinett [URL: http://diglib.hab.de/?grafik=c-geom-2f-00179; 14.4.2016].

Weiteres Bildmaterial

SNM Zürich, Neg. 4981

Vorlage

Matthäus Merian der Ältere, Radierung "vir bonus" für "Novae regionum aliquot amaenissimarum delineationes" bei Peter Aubry, Strassburg 1622/24.

Bildinformationen

Name des Bildes
BE_Bern_BHM_8890
Fotonachweise
© Bernisches Historisches Museum, Bern. Foto: Yvonne Hurni
Aufnahmedatum
2007
Copyright
© Bernisches Historisches Museum, Bern (www.bhm.ch)
Eigentümer*in

Seit 1916 Bernisches Historisches Museum

Inventar

Referenznummer
BE_1598
Autor*in und Datum des Eintrags
Rolf Hasler 2016; Sarah Keller 2016; Uta Bergmann 2016