Forschung
Die Kirche Grossdietwil wurde 1665–1676 umgebaut und erhielt damals vom Stift Beromünster (1671) sowie von Bern und Luzern Scheiben geschenkt. Die damalige Berner Doppelstiftung ist im Bernischen Historischen Museum erhalten (Inv. 38975 und 1009).
Aus dem Berner Ratsmanual (Staatsarchiv Bern, A II 474, Ratsmanual 163 [16.10.1670–8.4.1671], S. 93 [13.11.1670]) geht hervor, dass die Berner Standesscheibe eine ältere Stiftung ersetzen sollte: "Über sein schreiben, wöllind ihr gnädigen herren den herren von Münster [Beromünster], samt der pfarreÿ Großendietweÿl die ehr gern deferiert haben, daß anstatt ihr gnädig herren verblichenen vnd theils verbrochenen ehrenwappens im chor ein neüwes gesetzt werde, maßen er dasselbe beÿ einem gutten meister machen laßen, oder so ermelte herren dasselbe, von anständiger gleichheit wegen, selbs zemachen bestellt, dasselbe in ihr gnädigen herren namen bezahlen vnd dero verrechnen werde." Es ging also um den Ersatz eines "verblichenen und theils verbrochenen ehrenwappens". Die 1671 gestiftete Standesscheibe Luzerns trat ebenfalls an die Stelle einer älteren Luzernscheibe, wie aus dem Gesuch an Luzern (Staatsarchiv Luzern, Schachtel 1014) hervorgeht (Reinle 1959, S. 108; Matile 1965/66).
Bei diesen Vorgängerstücken dürfte es sich um die vorliegende Standesscheibe im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 1894; Matile 1965/66) sowie die erst 2010 wieder aufgetauchte zugehörige Ämterbaumscheibe (BHM Inv. 62269) handeln. Die jüngeren zwei Glasgemälde entsprechen den älteren, heute stark ergänzten Scheiben in allen wesentlichen Teilen des Aufbaus. Der Katalog des Bernischen Historischen Museums von 1897 vermerkte noch, dass die vorliegende Scheibe "vielleicht" aus der Kirche Grossdietwil stamme.
Die ältere Doppelstiftung erfolgte wohl im Jahr 1608. Die vorliegende Standesscheibe trägt dieses Datum in ihrer Inschrift. Die Ämterbaumscheibe zeigt das Datum 1618, dabei handelt es sich jedoch um eine wohl falsche Ergänzung. Allerdings weist der Stil der beiden Scheiben in die Zeit der 1660er Jahre und nicht ins Jahr 1608. Sie müssen also bereits in den 1660er Jahren ein erstes Mal ersetzt oder stark ergänzt worden sein. Rätselhaft bleibt, wieso die vorliegende ältere Standesscheibe nicht wie die jüngere Scheibe eine halbe Inschrift ("Die lobliche"), sondern eine vollständige ("Die Lobliche Statt Bern") trägt. Ebenso ist unklar, warum die ältere Stiftung nach der Neustiftung 1671 erhalten blieb.
Offenbar kostete die neue Stiftung relativ viel. Das Manual der deutschen Vennerkammer (Staatsarchiv Bern, B VII 54 1671, fol. 144r [29.1.1672]) hält fest: "Zedel an h. allt landtvogt Rhott von Arwangen. Obwol das in die kirchen zu Großdietweil verehrte fenster vnd ehrenwappen miner gnädigen herren zimlich vil costet, könne man doch, wegen gegebnen worts mit keiner anstendigkeit etwas abbrechen, solle derwegen die 56 gulden entrichten, vnd minen gnädigen herren verrechnen." Möglicherweise waren in diesem hohen Preis noch Kosten für die Reparatur der älteren Scheiben mitgerechnet. Sie stammen jedoch sicher nicht aus derselben Glasmalerwerkstatt.
Beide Glasmalerwerkstätten, sowohl der älteren als auch der jüngeren Stiftung, waren wohl in Luzern und nicht in Bern ansässig. Im Bildaufbau und der malerischen Umsetzung sind etwa die Scheiben des Klosters Eschenbach (Lehmann 1941, Abb. 262–268, Hans Heinrich Probstatt zugeschrieben) oder auch die Luzerner Standesscheibe im Bernischen Historischen Museum (BHM Bern, Inv. 1917) mit der vorliegenden Scheibe gut vergleichbar.
Datierung
1608
StifterIn
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Seit 1894 Bernisches Historisches Museum
Vorbesitzer*in
Vor 1894 Kunstmuseum Bern (1894 dem BHM Bern abgetreten).
Inventarnummer
BHM 1894