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TG_1110: Kreuzigungsfenster
(TG_Frauenfeld-Kurzdorf_ReformierteKircheStJohann_TG_1110)

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Titel

Kreuzigungsfenster

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Werkstatt / Atelier
Kirsch & Fleckner, Fribourg · Wabenverglasung und Bordüre von Jakob Lieberherr
Datierung
1916

Ikonografie

Beschreibung

Rundbogenfenster mit blanker Wabenverglasung, Ornamentbordüre in Gelb und Schwarz sowie Bildfeld in der unteren Fensterhälfte. Darin ist der verstorbene Jesus Christus am Kreuz gezeigt (Jh 19, 17–30). Links neben Jesus stehen seine trauernde Mutter und deren Schwester, ihnen zu Füssen sitzt Maria Magdalena, rechts stehen Johannes und ein weiterer Jünger Christi. Am Scheibenfuss Inschrift mit Bibelzitat.

Iconclass Code
73D6 · die Kreuzigung Christi: der Kreuzestod; Golgatha (Matthäus 27:45-58; Markus 15:33-45; Lukas 23:44-52; Johannes 19:25-38)
Iconclass Stichworte
Inschrift

INRI
JOH·19·30 Es ist vollbracht // FAMILIE DEBRUNNER-GRAF u. GESCHWISTER

Signatur

LINCK

Technik / Zustand

Technik

Farbloses und farbiges Glas, Bemalung mit Schwarzlot, Braunlot und Silbergelb.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Die evangelische Kirche St. Johann in Frauenfeld-Kurzdorf wurde 1915–16 durch die Architekten Brenner & Stutz an Stelle eines älteren Kirchleins erbaut. Aufgrund der schwierigen Zeitlage wurde sie als schlichter Bau im Heimatstil geplant, jedoch mit wirkungsvollen, durch private Spenden finanzierte Glasmalereien ausgestattet. Ernst Linck in Bern gestaltete die Apsis- und die Schifffenster, während Otto Abrecht in Frauenfeld eine Darstellung der alten Kirche sowie Stifterwappen für die Fenster unterhalb der Empore entwarf.
Lincks Glasmalereien umfassen die Darstellung von Christus und je zwei Figuren aus dem alten und neuen Testament in den fünf Apsisfenstern, sowie acht Szenen aus dem Leben Christi in den Schifffenstern. Lincks im Kirchgemeindearchiv erhaltenen Briefe an die damals zuständigen Pfarrer J. Meier und O. Moppert geben im Detail Auskunft über den Auftrag. Aus ihnen geht hervor, dass die Glasgemälde der Schifffenster je 500 Franken kosteten, und dass ein ursprünglicher Vorschlag, Reformatorenbildnisse auszuführen verworfen wurde. In Bezug auf die Szenen aus dem Leben Christi betonte Linck die Wichtigkeit bildfüllender, mehrfiguriger Kompositionen: “die Landschaft darf nicht viel Raum beanspruchen um nicht zu naturalistisch zu werden und so mehr Gemälde als Glasmalerei zu vortäuschen” (Evang. Kirchgemeindearchiv Frauenfeld, 20 Kirche Kurzdorf 1899–1950, Glasgemälde Chor und Schiff 1915; Brief Linck an Pfarrer Moppert vom 27.8.1915. Siehe auch zwei Entwürfe Lincks für die Schifffenster in der Schweizerischen Nationalbibliothek, GS-LINCK-A-1-b-1-2 und A-1-b-1-3).
Erschwert wurde die Arbeit des Künstlers durch seine Wehrpflichtigkeit in Deutschland. Seit Kriegsbeginn war er bereits mehrmals eingerückt, zwecks Vollendung seiner Arbeiten aber jeweils nach Hause beurlaubt worden. Bis zum Abschluss der Arbeiten für die Kirche Frauenfeld-Kurzdorf musste Linck mehrere Urlaubsverlängerungen beim Kaiserlich deutschen Konsulat in Bern und später in Lörrach beantragen und bat in dieser Angelegenheit auch die Kirchenbehörde mehrfach um Unterstützung. Aus der Korrespondenz geht ausserdem hervor, dass die Art der Stiftererwähnung sowie die mögliche Patinierung der Schiffenster Anlass zu Diskussionen gab, letztere wurde schliesslich zugunsten von ornamentalen, durch Linck entworfene Bordüren, aufgegeben (Evang. Kirchgemeindearchiv Frauenfeld; Rechnung Linck vom 17.1.1917).
Gegen den Vorschlag, seine Entwürfe durch Jakob Lieberherr, einen Frauenfelder Glasmaler umsetzen zu lassen, wehrte sich Linck entschieden. In einem ausführlichen Gutachten zu Lieberherrs Arbeiten bescheinigt er dem Glasmaler mangelnde Erfahrung in der Ausführung von Kirchenfenstern sowie fehlende Kenntnisse der neueren Entwicklungen in der Glasmalerei. Linck empfiehlt stattdessen Kirsch u. Fleckner in Freiburg, welche unter anderem Fenster im Bundeshaus in Bern und in der Kathedrale in Freiburg ausgeführt haben und mit denen er bereits mehrfach zusammengearbeitet hat: “Ich kann mich daher nicht anschliessen meine Arbeiten anderswo als bei Kirsch u. Fleckner ausführen zu lassen” (Evang. Kirchgemeindearchiv Frauenfeld, 20 Kirche Kurzdorf 1899–1950, Glasgemälde Chor und Schiff 1915; Bericht Lincks über die Arbeiten von Glasmaler Lieberherr vom 23.12.1915). Aufgrund der vehementen Stellungnahme Lincks wurde die Ausführung seiner Entwürfe an Kirsch u. Fleckner übertragen, während Lieberherr nur die Umsetzung der Blankverglasung und der Ornamentbordüren der Schifffenster, sowie der von Abrecht entworfenen Wappenscheiben übernehmen durfte (Evang. Kirchgemeindearchiv Frauenfeld; Rechnung Lieberherr vom 2.1.1917).
Linck erwähnte gegenüber Pfarrer Moppert, dass seine für Kurzdorf entworfenen Glasmalereien in ihrer farbigen Erscheinung in der Schweiz einzigartig sein dürften (Evang. Kirchgemeindearchiv Frauenfeld, 20 Kirche Kurzdorf 1899–1950, Glasgemälde Chor und Schiff 1915; Brief Linck an Pfarrer Moppert vom 8.9.1916). Da sich die Fertigstellung des Kirchenbaus verzögerte, nutzte der Künstler die Gelegenheit, ein Apsisfenster (Moses) und sechs Szenen aus dem Leben Christi vor dem Transport nach Kurzdorf im Gewerbemuseum Bern auszustellen. In der Tagespresse fanden die Arbeiten Beifall, eine “moderne Vereinfachung” und ein “ganz neuer Geist in der Glasmalerei” wurden darin festgestellt, die Zusammenstellung der kräftigen, leuchtenden Farben und die überzeugenden Kompositionen der Bildszenen hervorgehoben (Der Bund vom 28.9.1916, S. 3 und Berner Tagblatt vom 26.9.1916). In der Tat hatte man mit Linck einen “neuzeitlich schaffenden Fachmann der Glasmalerei” engagiert, der die Eigenheiten des Mediums berücksichtigte: “Er liefert keine Ölgemälde in Kartons, die der Techniker hernach durch ein hochnotpeinliches Aufteilen und in Bleifassen erst zu Glasfenstern umwandeln muß. Schon seine ersten Farbskizzen rechnen mit der Verteilung von hellen und dunklen Gläsern; sie stellen ab auf eine möglichst reine Flächenwirkung” (Röthlisberger, 1917, S. 119, 121). Lincks Glasmalereien in Frauenfeld-Kurzdorf zählen zu den frühesten nicht mehr dem Historismus verpflichteten Beispielen im Kanton Thurgau und künden die schon bald von Künstlern, Architekten und Intellektuellen geforderte Erneuerung der Kirchenkunst an.

Datierung
1916
StifterIn

Debrunner-Graf, Familie und Geschwister

Eigentümer*in

Evangelische Kirchgemeinde Frauenfeld

Bibliografie und Quellen

Literatur

Ducret, M. et al. (Hrsg.) (1999). Schätze des Glaubens. Kostbarkeiten aus dem Besitz der thurgauischen Kirchengemeinden. Frauenfeld: Huber, S. 30.

Frauenfeld (1982). In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.), Inventar der neueren Schweizer Architektur: 1850–1920 (Bd. 4, S. 135). Zürich: Orell Füssli.

Ganz, J. (1979). Die Kirchen von Frauenfeld (Schweizerische Kunstführer). Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, S. 8–10.

Hess, R. (1939). Neue Glasmalerei in der Schweiz. Eine Wegleitung zu den Standorten und ein Verzeichnis der Künstler. Basel: J. & F. Hess.

Röthlisberger, H. (1917). Die neue Kirche in Kurzdorf-Frauenfeld. Das Werk: Architektur und Kunst = L'oeuvre: architecture et art, 4, 8, 117–128.

Steiner, H. (2017). Die Kirche im Dorf. Ein Streifzug durch 800 Jahre Geschichte der Kirche St. Johann in Kurzdorf aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums des Kirchenneubaus von 1917. Frauenfeld: Evangelische Kirchgemeinde Frauenfeld, S. 73–75.

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Frauenfeld-Kurzdorf_ReformierteKircheStJohann_TG_1110
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont (Foto: Yves Eigenmann, Fribourg)
Aufnahmedatum
2021
Eigentümer*in

Evangelische Kirchgemeinde Frauenfeld

Inventar

Referenznummer
TG_1110
Autor*in und Datum des Eintrags
Eva Scheiwiller-Lorber 2016; Katrin Kaufmann 2021