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TG_361: Heilung des Blinden-Fenster
(TG_Amriswil_ReformierteKirche_TG_361)

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Titel

Heilung des Blinden-Fenster

Art des Objekts
Künstler*in / Hersteller*in
Werkstatt / Atelier
Datierung
1922
Masse
570 x 230 cm

Ikonografie

Beschreibung

Monumentales, dreilanzettiges Masswerkfenster mit der Darstellung der Heilung des Blinden in sechs Feldern der unteren Fensterhälfte. Im Zentrum ist Jesus Christus in rotem Gewand gezeigt, der mit gesenktem Haupt seine Hände auf den Kopf und die Augen des rechts vor ihm knienden blinden Bettler Bartimäus legt. Hinter Jesus stehen zwei seiner Jünger. Die Bildszene ist von einem schmalen weissen Rahmen gefasst. In der ornamentierten Sockelzone erscheint der Stiftername, die Zone oberhalb der bildlichen Darstellung und das Masswerk sind mit kleinteiligen, geometrischen Ornamenten in Grün- und Rottönen geschmückt.

Iconclass Code
73C414 · die Heilung eines blinden Mannes (Bartimaeus) bzw. zweier blinder Männer bei Jericho (Matthäus 20:29-34; Markus 10:46-52; Lukas 18:35-43)
Iconclass Stichworte
Inschrift

STIFTER: / CARL ROESCH / MALER.

Signatur

Signiert (s VII)

Technik / Zustand

Technik

Farbloses und farbiges Antikglas; Bemalung mit Schwarzlot.

Entstehungsgeschichte

Forschung

Im Zuge einer Innenrenovation der evangelischen Kirche Amriswil gestaltete Carl Roesch 1922 zwölf neue Kirchenfenster. Die technische Umsetzung übernahm Anton Kiebele in St. Gallen, die Bemalung wiederum Roesch. Die insgesamt zehn Bildfenster zeigen Szenen aus dem Leben Christi sowie zwei Gleichnisse Jesu (sechs Entwürfe für diese Fenster werden im Kunstmuseum Thurgau aufbewahrt, siehe Inv. Nr. RN 2003.959; RN 2003.960; RN 2003.961; RN 2003.962; RN 2008.294; RN 2008.295). Bei den beiden weiteren Fenstern handelt es sich um Ornamentfenster. Vor dem Einbau in die Kirche wurde ein Teil der Fenster 1923 im Kunstgewerbemuseum Zürich ausgestellt und von der Presse wohlwollend besprochen (Helg, 2009, S. 40).
Bereits zu Beginn des Restaurierungsprojektes war Roesch in Amriswil als Berater tätig. Er nahm Anfang April 1922 an einer Begehung der Kirche zusammen mit der Kirchenvorsteherschaft und dem Architekten Gustav Büeler teil. Die damals von Roesch vorgetragenen Überlegungen und sein Vorschlag, anstelle einer farbigen Behandlung der Wandflächen durch gemalte farbige Fenster eine wirkungs- und stimmungsvolle Raumwirkung zu erzielen, überzeugten die Kirchenvorsteherschaft und wurden auch im Antrag zum Kreditbeschluss für die Renovation dargelegt (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, Protokolle der evang. Kirchenvorsteherschaft Amriswil-Sommeri: Protokolle vom 6.4.1922 und vom 23.4.1922). Sofort nach der Begehung reichte Roesch einen ersten Vorschlag für die Bildthemen und ihre Anordnung in der Kirche ein: “Sie begreifen, wenn ich Feuer und Flamme bin, es wäre dies die umfassendste Arbeit, die ich bis jetzt hätte lösen müssen” (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, 6.50.a Kirche Amriswil, Renovation 1922/23 (Umschlag Carl Roesch): Brief Carl Roesch an Pfarrer Wellauer vom 9.4.1922). Bevor der Auftrag im Mai 1922 definitiv an Roesch vergeben wurde, holte die Kirchenvorsteherschaft diverse Referenzschreiben ein, hauptsächlich aus Kölliken, wo 1920 in der evangelischen Kirche mehrere Fenster nach Entwürfen Roeschs eingesetzt worden waren. Sämtliche Schreiben fielen zu Gunsten des Künstlers aus, der damals von Alfred Altherr, dem Direktor des Gewerbemuseums in Zürich empfohlen worden war (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, 6.50.a Kirche Amriswil, Renovation 1922/23 (Umschlag Kirchenrenovation 1922/23): Diverse Referenzschreiben, April 1922). Nach einem Augenschein in Kölliken durch mehrere Vertreter der Kirchenvorsteherschaft erklärten sich sämtliche Stifter mit der Vergabung an Roesch, den “einzigen in Frage kommenden thurgauischen Künstler”, ohne vorherige Durchführung eines Wettbewerbes, einverstanden (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, Protokolle der evang. Kirchenvorsteherschaft Amriswil-Sommeri: Protokolle vom 17.5.1922 und vom 24.5.1922). Im Anschluss begann Roesch mit der Erarbeitung von Farbskizzen im Massstab 1:4, und holte für die technische Umsetzung der Fenster Offerten von mehreren Glasmalern ein. Die verschiedenen Arbeitsschritte bis zur Fertigstellung der Fenster führte Roesch teils parallel aus. So hatte er Ende August 1922 die zehnte Farbskizze und den vierten Karton (Entwurf im Masstab 1:1) fertiggestellt und zudem zwei Scheiben bemalt (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, 6.50.a Kirche Amriswil, Renovation 1922/23 (Umschlag Carl Roesch): Brief Carl Roesch an Pfarrer Wellauer vom 31.8.1922). Alle Fensterentwürfe wurden in Amriswil den Stiftern – nebst der Kirchenvorsteherschaft und Roesch handelte es sich dabei hauptsächlich um alteingesessene Amriswiler Familien – vorgelegt, und mit deren Einverständnis mittels einer Losziehung verteilt (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, Protokolle der evang. Kirchenvorsteherschaft Amriswil-Sommeri: Protokoll vom 6.9.1922). Im Dezember 1922 trafen die Kisten mit den letzten beiden Fenstern in Amriswil ein (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, 6.50.a Kirche Amriswil, Renovation 1922/23 (Umschlag Kirchenrenovation 1922/23): Brief Carl Roesch an Pfarrer Wellauer vom 17.12.1922). Roesch wurden 1923 insgesamt 15’500.– Franken ausbezahlt, also 1550.– Franken pro Bildfenster (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, 6.50.a Kirche Amriswil, Renovation 1922/23 (Umschlag Kirchenrenovation 1922/23): Rechnung von Carl Roesch, visiert im Juli 1923). Insgesamt beliefen sich die Kosten pro Bildfenster auf 4100.– Franken (Evang. Kirchgemeindearchiv Amriswil, Protokolle der evang. Kirchenvorsteherschaft Amriswil-Sommeri: Protokoll vom 30.6.1922).
Die farbenfrohen Bildszenen zeugen von der Erneuerung der Kirchenkunst, die Künstler, Architekten und Intellektuelle in den 1920er-Jahren forderten. Sie sind Ausdruck einer neuen Freiheit in der künstlerischen Gestaltung und Umsetzung theologischer Inhalte. In Form- und Bildsprache modern, erinnern die Glasmalereien gleichzeitig auch an mittelalterliche monumentale Beispiele, die mosaikartig aus einzelnen, vorwiegend farbigen Glasstücken zusammengesetzt und nur mit Schwarzlot bemalt wurden. Mit den Glasmalereien in Amriswil und denen der evangelischen Kirche Schlatt (TG_892 – TG_901) hatte Roesch 1922 gleich zwei grosse Aufträge erhalten. Für sein künstlerisches Arbeiten stellte der vorhandene Zeitdruck eine Herausforderung dar (Helg, 2009, S. 39).
Die Glasmalereien in Amriswil waren ursprünglich anders angeordnet. Das Kreuzigungs- und das Auferstehungsfenster (TG_355, TG_362) waren an den Schrägseiten des Chorpolygons untergebracht. Mit dem Einzug der Orgelwand an dieser Stelle wurden sie 1943/44 ins Kirchenschiff versetzt und anstelle von bereits früher zugemauerten Rosetten in neu ausgebrochene Fensteröffnungen über den Seiteneingängen eingesetzt (Knoepfli, 1958, S. 107–108).

Datierung
1922
StifterIn

Roesch, Carl, Maler

Eigentümer*in

Evangelische Kirchgemeinde Amriswil-Sommeri

Bibliografie und Quellen

Literatur

Helg, U. (2009). Carl Roesch: Leben und Werk: 1884-1979. Zürich: Offizin, S. 39–40, 124.

Hess, R. (1939). Neue Glasmalerei in der Schweiz. Eine Wegleitung zu den Standorten und ein Verzeichnis der Künstler. Basel: J. & F. Hess.

Kaufmann, K. (2022). Revival und Stilpluralismus – Sakrale und profane Glasmalereien im Thurgau 1865–1930. In Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau (Hrsg.), Glasmalereien am Bau im Thurgau (im Druck). Denkmalpflege im Thurgau 23. Basel: Schwabe.

Knoepfli, A. (1958). Carl Roesch: ein Beitrag zur Geschichte der Malerei seit 1900. Frauenfeld: Huber, S. 107–109, 142.

Maywald, H. (2009). Glasfenster und Fresken der Evangelischen Kirche in Amriswil. Amriswil: Evangelische Kirchgemeinde Amriswil-Sommeri.

Stilvolle Neugestaltung, (1946). Stilvolle Neugestaltung. Die Renovation der evangelischen Kirche zu Amriswil. Reformierte Schweiz, 5, S. 181–182.

Bildinformationen

Name des Bildes
TG_Amriswil_ReformierteKirche_TG_361
Fotonachweise
© Vitrocentre Romont (Foto: Hans Fischer)
Aufnahmedatum
2020
Eigentümer*in

Evangelische Kirchgemeinde Amriswil-Sommeri

Inventar

Referenznummer
TG_361
Autor*in und Datum des Eintrags
Eva Scheiwiller-Lorber 2016; Katrin Kaufmann 2021