Das Schloss der Herren von Pérolles (Pigritz), ursprünglich ausserhalb von Freiburg in der Pfarrei Villars gelegen, wird schon 1259 erwähnt. Im 15. Jahrhundert gehörte es der reichen Kaufmannsfamilie Mossu (Zur Familie Mossu s. Utz Tremp 1999. S.232–235) und kam 1508 durch Heirat Elisabeth Mossus, der Tochter Jakob Mossus, an Christoph von Diesbach (†1522), Sohn des Berner Schultheissen Wilhelm von Diesbach (1442–1517) und seiner zweiten Gemahlin Helena von Freiberg. In seinem Auftrag wurden Schloss und Kapelle 1508–1522 neu errichtet. Nach dem Tod Christoph von Diesbachs verkauften seine Töchter das Schloss an ihren Cousin Wilhelm von Arsent (†1536), Sohn des Freiburger Alt-Schultheissen Franz von Arsent (vgl. FR_236). Wilhelm von Arsent wird die Innen-Renovation des Schlosses zuzuschreiben sein, die durch das Datum 1528 über dem Fenster des Kleinen Salons bezeugt ist (vgl. FR_1). Das Schloss wechselte noch mehrmals die Hand (Ausführlich bei Naef 1934. S. 514). Seit 1567 befand sich das Anwesen im Besitz der Familie Reynold. Zwar hatte der Junker Ulrich von Englisberg zu unbekannter Zeit das Gut Pérolles für 4’000 Kronen erworben, es fiel jedoch wenig später 1592 durch den Konkurs von Englisbergs (vgl. FR_49) wieder an Barthlome Reynold zurück (Barthlome Reynold machte sich um den Zustand und die
Folgekosten des Unterhalts Sorgen. StAF RM 141, 1591/92, p. 311 [8. 4. 1592]). Erst 1875 kam es durch Heirat in den Besitz der Familie de Zurich, die es um 1930 veräusserte.
Die Bartholomäuskapelle (Das Patrozinium ist erst seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar. Möglicherweise besass die Kapelle ursprünglich ein auf das Leiden Christi bezogenes Patrozinium, vgl. Schurr 2012. S. 262) wurde um 1520 von einem Mitarbeiter Hans Felders d.J. aus Zürich erbaut, der damals die Bauleitung des Freiburger Rathauses innehatte. Darauf weist ein Meisterzeichen, das am südöstlichen Strebepfeiler in einem angehängten Schildchen gewissermassen als Signatur des ganzen Baus angebracht ist, und sich an den Aussen- und Innenmauern der Kapelle wie auch am Freiburger Rathausbau, der für Hans Felder gesichert ist, wiederfindet. Das doppelstöckige Bauwerk barg im unterirdischen gewölbten Teil die wohl anfänglich geplante, doch nie genutzte Begräbnisstätte der Familie, im oberen das zweijochige Gotteshaus, das sich in vier Fenstern im Schiff und drei im Chor nach aussen öffnet. Als spätgotisches Bauwerk errichtet, nimmt die Kapelle im Sterngewölbe, in den Glasgemälden und in den Statuen dennoch einzelne Motive der Renaissance auf (Freiburger Skulptur 2011. Bd. 2. S. 451–456, Kat.-Nr. 235). Die Sakristei wurde erst 1641 angefügt. Seit 1932 gehört die Kapelle dem Staat Freiburg, die darin befindlichen Glasgemälde und Terrakottastatuen sind im Besitz der Gottfried Keller-Stiftung.
Die Motivation für den Bau der Schlosskapelle, für ihre architektonische Form, die sich letztlich von der Sainte-Chapelle in Paris herleitet, und für ihre Ausstattung ist komplex und wurde in jüngster Zeit durch Marc Carel Schurr eindrücklich herausgearbeitet (Schurr 2012). Das ehrgeizige Bestreben der Familie von Diesbach, in die Adelsschicht aufgenommen zu werden, aber auch die politische Provokation gegenüber den Savoyern gipfelte nicht zuletzt in der damaligen Fensterausstattung der Kapelle (vgl. Zyklus Nr. 1).
Die Glasgemälde, die heute die Masswerkfenster der Kapelle zieren, stammen aus verschiedenen Zyklen des 16. und 17. Jahrhunderts und wurden teilweise erst später hier eingefügt (s.u.). Die ursprüngliche Anordnung wurde nicht zuletzt auch durch den neuen Barockaltar, der das Achsenfenster verdeckt, und durch den mehrmaligen Aus- und Einbau der Wappenscheiben gestört. Nach dem Kauf 1932 durch die Gottfried Keller-Stiftung wurden die Glasgemälde um 1940 von Hans Meyer restauriert, nach dem Krieg 1947 eingesetzt und um 1954 erneut aus den Fenstern entfernt, als die Kapelle renoviert werden sollte. Sie gerieten über 20 Jahre lang in Vergessenheit und tauchten 1976 unerwarteterweise im Kunsthandel auf, da sie nach dem Tod des Glasmalers, der sie zur Restaurierung eingelagert hatte, veruntreut worden waren (Freiburger Kunstschätze verhökert. In: Der Bund Nr. 247 [21.10.1976]. S. 7). Die beschädigten Scheiben wurden beschlagnahmt, von Konrad Vetter in Bern wiederhergestellt und im Museum in Freiburg aufbewahrt, bis sie 1991 unter konservatorischen Sicherheitsmassnahmen erneut in die Kapelle verbracht werden konnten.
Die heutige Fensterausstattung umfasst fünf Zyklen (1–5) unterschiedlicher Epochen, die sicher nicht alle für das Gotteshaus bestimmt waren:
1) Entsprechend der Funktion der Kapelle als Familiengedenk- und Begräbnisstätte war auch das ursprüngliche Programm der Glasgemälde ganz auf das Familiengedächtnis ausgerichtet. Zur Bauzeit, die nicht genau belegt ist, doch um 1520–1523 angesiedelt wird, erhielt das Gotteshaus einen Glasgemäldezyklus, der zum Eindrucksvollsten der Schweizerischen Renaissance-Glasmalerei gehört. Der sog. Diesbach-Zyklus umfasst nunmehr neun grossformatige Scheiben: vier Wappenscheiben, zwei Bildnisscheiben, einen Wappenschild mit den Passionswerk- zeugen und zwei Scheiben mit der Anbetung des Grabtuches von Besançon. Wie viele Scheiben der Zyklus ehemals besass und wie er angeordnet war, ist nicht mit Sicherheit geklärt. Untersuchungen von Stefan Trümpler ergaben, dass die Verglasung wahrscheinlich 16 hochrechteckige Scheiben umfasste, die sich als kleine Pyramide zum mittleren Chorfenster hin erhoben (Trümpler 1988–1992. Abb.7. Das Vorhandensein weiterer Scheiben ist jedoch denkbar. 1989 rechnete Trümpler noch mit 18 Scheiben). Im Norden befanden sich offenbar die Wappen und Bildnisse der männlichen Familienangehörigen, im Süden jene der Frauen. Zuoberst im Achsenfenster gipfelte der Zyklus in den beiden Darstellungen der Anbetung des Grabtuchs von Besançon, oberhalb des Kartäuserwappens mit den Arma Christi und eines heute verlorenen Gegenwappens.
Seit Lehmann 1914 wurden die Glasgemälde aufgrund von Stilvergleichen und eines indirekten archivalischen Hinweises dem Berner Glasmaler Lukas Schwarz zugeschrieben. 2004 wies Stefan Trümpler jedoch die Glasgemälde des Diesbach-Zyklus anhand stilistischer Merkmale und eines offensichtlichen Selbstporträts einem Meister zu, der mit Hans Baldung Grien (1484/85 Gmünd–Strassburg 1545) in enger Verbindung gestanden hätte, wenn er nicht selbst mit dem grossen Meister zu identifizieren sei. Die stilistischen Zusammenhänge mit der baslerischen und oberrheinischen Glasmalerei sind jedoch aufgrund mangelnder Vergleichsbeispiele in dieser Region nur schwer zu belegen.
2) Sechs kleinere Wappenscheiben (FR_1, FR_2, FR_3, FR_4, FR_5, FR_6), von denen fünf das Datum 1526 zeigen, stammen wohl ursprünglich aus dem Schloss. Sie wurden von den Familien Diesbach, Diesbach-Mötteli, Englisberg, May und Mussilier (?) gestiftet. Im allgemeinen werden sie dem Berner Glasmaler Hans Funk zugeschrieben, der auch anderweitig in Freiburg gut beschäftigt wurde (Vgl. Anderes 1963. S. 105–122).
3) An die Familientradition der von Diesbach anknüpfend, stiftete die Familie Reynold, seit 1567 Schlossbesitzerin, Ende des 16. bzw. Anfang des 17. Jahrhunderts eine Scheibenserie, die an Grösse und Monumentalität den alten Glasgemälden des Diesbach-Zyklus (1) nicht nachsteht (FR_7, FR_8, FR_9). Die ursprüngliche Verglasung um 1520–1523 war offenbar schon so stark beschädigt, dass man anstrebte, den ursprünglichen Diesbach-Zyklus durch neue, in Format, Anspruch und Anordnung angepasste Scheiben zu ergänzen. Möglicherweise wurden auch die Glasgemälde des 16. Jahrhunderts zu jener Zeit restauriert, versetzt und neu zusammengefasst.
Eine heute verschollene Scheibenstiftung des damaligen Schultheissen Niklaus von Praroman (1601–1607), die sich laut Hans Lehmann in der Pérolles-Kapelle befand, gehörte aufgrund ihres viel kleineren Formates sicher nicht zu diesem Zyklus (Manuskript Hans Lehmann, Schweizerische Glasmalerei 1540–1590, im Vitrocentre Romont. Vgl. Foto SLM 6443, ebenfalls mit Standortangabe Kapelle Pérolles. Die Scheibe befand sich in den 1960er Jahren schon im Besitz Diesbach in Balterswil. S. Nachlass Bernhard Anderes im Vitrocentre. Bergmann 2014. Abb. 235).
4) Um die Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden nochmals vier kleine Wappenscheiben als Stiftungen der Familie Reynold (1645–1663). Sie sind gleich gross und stammen alle vom gleichen Glasmaler, der mit Jost Hermann zu identifizieren ist (FR_10, FR_11, FR_12, FR_13).
5) Aus den 1690er Jahren datieren zwei Wappenscheiben unterschiedlicher Grösse, gestiftet von Hans Reynold 1691 und Hans-Peter Von der Weid/Maria Margaretha Thumbé 1699. Um 1930 noch in einem der Kapellenfenster eingebaut, zieren sie heute die beiden Fenster der Sakristei. Sie dürften aus dem Schloss stammen und erst im späten 19. Jahrhundert in die Kapelle gelangt sein. Autor dieser beiden Scheiben muss aus stilistischen und zeitlichen Gründen der aus Sursee eingewanderte Leontius Bucher gewesen sein (FR_14, FR_15).
Kuenlin, F. (1832). Dictionnaire géographique, statistique et historique du canton de Fribourg. 2 vol. Fribourg 1832. (Reprint Genève 1980 en un volume) vol. II. S.229–230.
Rahn, J. R. (1884). Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler. V. Canton Freiburg. ASA, 17(1), 21–22.
Chefs-d’œuvre de la peinture suisse sur verre, publiés par la Société d’Histoire et d’Antiquité de Winterthur. Avec un texte explicatif par A. Hafner. Berlin 1887. Pl. 26–30, 34
Zemp, J. (1890). Die schweizerische Glasmalerei. Eine kunsthistorische Skizze. SA: «Monat-Rosen». Luzern. S. 41.
Schlæpfer, C. (1914). La chapelle du château de Pérolles. Dans Fribourg Artistique 25. Pl. IV.
Lehmann, H. (1914). Glasmalerei in Bern am Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. In Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, S.41–49. (Zuschreibung des Diesbach-Zyklus an Lukas Schwarz).
Reiners, H. (1930). Das malerische alte Freiburg – Schweiz. (Schweizer Städtebilder. Hrsg. vom Kunsthistorischen Institut der Universität Freiburg–Schweiz Bd.1) Augsburg 1930. S.59 (Hans Schwarz, Bern).
Naef, H. (1934). Bezanson Hugues, son ascendance et sa postérité, ses amis fribourgeois. In: Bulletin de la Société d’histoire et d’archéologie de Genève V, 1925–1934, p.335–573 (5me livrai- son daté du mois d’août 1934). S.404–411, 514.
Mandach, C. von (1932–1945). Die St. Bartholomäus-Kapelle in Pérolles-Freiburg. In: Bericht der Gottfried-Keller-Stiftung, 2. Folge. S. 7–50.
Waeber, L., & Schuwey, A. (1957). Eglises et chapelles du canton de Fribourg. Ed. Saint-Paul. (p. 91)
Strub. M. (1959). Les monuments d'art et d'histoire du canton de Fribourg. Tome III. La ville de Fribourg. Les monuments religieux (deuxième partie). Bâle: Edition Birkhäuser. S. 321–341.
Matile, H. (1979). Zum Thema «Niklaus Manuel und die Glasmalerei». In Niklaus Manuel Deutsch. Maler, Dichter, Staatsmann. (Ausstellungskatalog Kunstmuseum Bern 1979) Bern. S.67–74 und 418–481.
Landolt, H. (1990). Gottfried Keller-Stiftung. Sammeln für die Schweizer Museen / Fondation Gottfried Keller. Collectionner pour les Musées Suisses / Fondazione Gottfried Keller. Collezionare per i musei svizzeri 1890–1990. Bern. S. 99, 109.
Trümpler, S. (1988–1992). Die Glasgemälde der Kapelle von Pérolles in Freiburg zwischen 1517–1523. Neue Erkenntnisse. In: Bericht der Gottfried-Keller-Stiftung. S.34–53.
Trümpler, S. (1989). Die Glasgemälde der Kapelle von Pérolles in Freiburg im Besitz der Gottfried Keller-Stiftung: Bestandesuntersuchung 1989 [Unpuplizierter Bericht]. Schweizerisches Zentrum für Forschung und Information zur Glasmalerei.
Trümpler, S. (1997). Freiburg i. Üe.. Kapelle von Pérolles. In Glasmalereien aus acht Jahrhunderten. Meisterwerke in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihre Gefährdung und Erhaltung. Leipzig. S.164, mit Abb.
Bergmann, U., Hasler, R., & Trümpler, S. (2004). Glasmalerei über die Grenzen. In H. Scholz, D. Hess, & I. Rauch (Eds.), Glas, Malerei, Forschung: Internationale Studien zu Ehren von Rüdiger Becksmann (S. 273-280). Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft.
Schurr, M. C. (2012). Kostbares Glas auf der grünen Wiese – die Pérolles-Kapelle in Freiburg (Schweiz) und ihre Glasgemälde. In: Norberto Gramaccini et al. (Hrsg.). Kunst und Kulturtransfer zur Zeit Karls des Kühnen. (Neue Berner Schriften zur Kunst 13) Bern. S. 251–268.
Lauper, A., Biffiger, S., & Beytrison, I. (2012). Fribourg. Dans Fribourg/Freiburg, Valais/Wallis. Guide artistique de la Suisse (p. 81-82). Bern: Société d'histoire de l'art en Suisse.
Bergmann, U. (2014). Die Freiburger Glasmalerei des 16. bis 18. Jahrhunderts. Bern: Peter Lang. (S. 128–130, Kat.-Nr. 1–15)