Name

Reformierte Kirche Hilterfingen, ehem. St. Andreas

Adresse
Schoren 40
3653 Oberhofen am Thunersee
Geografische Hierarchie
Koordinaten (WGS 84)
AutorIn und Datum des Eintrags
Uta Bergmann 2015
Informationen zum Gebäude / zur Institution

Die Kirchgemeinde von Hilterfingen umfasste im Mittelalter auch Oberhofen, Heiligenschwendi, Teuffenthal und Ringoldswyl.
Die dem Apostel Andreas geweihte Kirche von Hilterfingen wird 1175 erstmals urkundlich erwähnt. Sie gehört zu den zwölf Kirchen, die König Rudolf von Hochburgund nach der Strättliger Chronik im 10. Jahrhundert rund um den Thunersee herum gebaut und der Mutterkirche des hl. Michael in Einigen unterstellt haben soll. Viele dieser zwölf Kirchen sind nach archäologischen Untersuchungen jedoch vor dem 10. Jahrhundert entstanden. Die Ausgrabungen durch Sennhauser 1973 ergaben auch für Hilterfingen, dass hier bereits eine erste kleine Kirche aus dem 7. oder 8. Jahrhundert bestand. Diese wurde im 11. oder 12. Jahrhundert vergrössert. Vermutlich im 14. Jahrhundert wurde die Kirche durch den Anbau eines rechteckigen Chores nochmals erweitert. In spätgotischer Zeit kam es zu einem grundlegenden Umbau, bei dem auch der heute noch existierende Turm errichtet wurde. Diese im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts wohl unter dem damaligen Kirchherren Kaspar von Scharnachtal erbaute spätgotische Kirche bestand bis zum Neubau von 1727 (s.u).
Die Familie von Scharnachtal war seit 1419 im Besitz der Herrschaft Oberhofen, zu der die dem hl. Andreas geweihte Dorfkirche von Hilterfingen gehörte. 1424 erwarb sie auch den Kirchensatz von Hilterfingen. Laut Kurmann-Schwarz (2012) liess der damalige Kirchherr und Junker Kaspar von Scharnachtal die Kirche Hilterfingen möglicherweise schon ab der Jahrhundertmitte von Grund auf neu erbauen. 1473 (in seinem Todesjahr) begründete dieser auch die Helferei und Kaplanei Hilterfingen. Aus der Zeit des Kirchenneubaus hat sich zunächst ein Glasmalereizyklus mit dem Leben Christi erhalten, den Kaspar von Scharnachtal kurz nach 1450 bei dem Glasmaler des Zehntausend-Ritter-Fensters im Berner Münster, Niklaus Glaser, für das Achsfenster in Auftrag gegeben haben muss (Kurmann-Schwarz 2012). Um 1472 oder kurz danach entstanden die bis heute verbliebenen sechs alten Scharnachtal-Scheiben (inklusive Frauenwappen). Diese dürften Überreste eines in Glas gebrannten, wohl ursprünglich umfassenderen Stammbaums der Familie darstellen, der in die Butzenverglasung der Chorseitenfenster eingelassen war. Dazu zählen die Wappenscheiben-Stiftungen des Kaspar von Scharnachtal, seiner Frau Bernetta von Villarzel, der Anna Gruber, Gemahlin des Niklaus von Scharnachtal, des Konrad von Scharnachtal, eines Vetters von Kaspar und Niklaus, und die seiner Mutter Jaquette Ritsch. Sie erinnern an die Inhaber des Patronatsrechts und ihre Frauen. Noch 1590 setzte man dem letzten Spross der jüngeren Linie Scharnachtal und seiner drei Ehefrauen ein Denkmal in Form einer Wappenscheibe.
Aus der Erbschaft der Scharnachtal kam die Kirche 1590 in den Besitz der Herren von Erlach, unter deren Patronat sie bis 1653 blieb. In diesem Jahr erwarb der Staat Bern die Kollatur. 1727 beschloss der Berner Rat, die Kirche neu zu bauen und steuerte dazu 2000 Pfund bei (den gotischen Turm und die Nordwand des spätgotischen Chores liess man bestehen). Die spätgotischen Von-Scharnachtal-Scheibenstiftungen wurden von der alten Kirche in den Neubau übernommen, ebenso etliche Wappenscheiben nachgotischer Zeit. Gleichzeitig gelangten anlässlich des Neubaus neue Scheibenstiftungen in die Kirche. Damals, d.h. 1731, wurde auch die grosse Tafel mit Moses und den Gebotstafeln und den Namen der damaligen Notabeln (darunter auch Scheibenstifter) geschaffen. Gemalt wurde diese Tafel von Maler Koch aus Thun, vermutlich Johann Heinrich Koch (1706–87) (Haller 1905, S. 81; Sennhauser 1973, Abb. 2).
Renovationen fanden auch im 19. und 20. Jahrhundert statt: 1888: Ostseite Anbau für Orgel (1973/74 wieder beseitigt); 1898 grössere Renovation; 1973/1974 Renovation, Ausgrabungen.

Literatur

Max Haller, Die St. Andreaskirche in Hilterfingen, in: Blätter für bernische Geschichte, Kunst und Altertumskunde 1/1905.

Hans Rudolf Sennhauser, Ausgrabungen in der Kirche Hilterfingen im Frühjahr 1973, in: Historisches Museum Schloss Thun. Jahresbericht 1972, Thun 1973.

Zita Caviezel, Georges Herzog, Jürg A. Keller u. Ursula Maurer (2006). Reformierte Kirche Hilterfingen, in: Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Solothurn. Kunstführer durch die Schweiz. Bern: Ges. für Schweizerische Kunstgeschichte, S. 453.

Brigitte Kurmann-Schwarz, Der gläserne Schmuck einer verschwundenen Kirche am Thunersee, Überlegungen zu Entstehung und Stiftung der spätgotischen Glasmalereien in St. Andreas zu Hilterfingen, in: Fund-Stücke – Spuren-Suche, Hrsg. von Andriano Boschetti-Maradi, Barbara Dieterich, Lotti Frascoli, Jonathan Frey, Ylva Meyer und Saskia Roth, Zurich Studies in History of Art, Berlin 2011, S. 411–425.